Profile exzellenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei AcademiaNet.
Suchen Sie unter den Mitgliedern der Leopoldina nach Expertinnen und Experten zu Fachgebieten oder Forschungsthemen.
Wahljahr: | 2000 |
Sektion: | Psychologie und Kognitionswissenschaften |
Stadt: | Leipzig |
Land: | Deutschland |
Forschungsschwerpunkte: Kognitionswissenschaften, Psycho- und Neurolinguistik, Sprachentwicklung, Spracharchitektur, zeitliche Struktur bei der Sprachverarbeitung
Angela D. Friederici ist eine deutsche Linguistin, Psychologin und Neurowissenschaftlerin. Sie erforscht auf mehreren Ebenen, wie Menschen Sprache erlernen und wie Sprache im Gehirn repräsentiert ist. Die Wissenschaftlerin nutzt dabei verschiedene bildgebende Methoden, wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um zu verstehen, wie das Gehirn sprachliche Informationen verarbeitet. Dabei untersucht sie insbesondere die Rolle des Broca- und des Wernicke-Areals im Sprachprozess sowie die Interaktion zwischen diesen beiden Hirnregionen.
Mit ihrer Arbeitsgruppe hat Angela D. Friederici auch die spezielle Rolle des Fasciculus arcuatus charakterisiert, einem Nervenfaserbündel, das den oberen Schläfenlappen mit dem Broca-Areal verbindet. Diese Strukturen sind wesentlich an der Verarbeitung von Grammatik beteiligt, während das Wernicke-Areal für das semantische Sprachverständnis verantwortlich ist. Die Forschenden untersuchten in einem weiteren Experiment, wie stark während der Entwicklung die Nervenfasern des Fasciculus arcuatus mit einer Myelinschicht ummantelt sind. Das Ergebnis: Der Grad der Myelinisierung des Fasciculus arcuatus korreliert mit der Fähigkeit, grammatisch komplexe Sätze zu verarbeiten. Die Befunde untermauern die Vorstellung, dass Sprachfähigkeiten in zeitlich getakteten Hirnreifungsphasen erworben werden, die die komplette Kindheit und Jugend umspannen.
Mit ihrer Forschung hat Angela Friederici gezeigt, dass der Fasciculus arcuatus im Gehirn aller Erwachsenen deutlich ausgeprägt ist und nur minimal variiert, je nachdem, in welcher Sprachwelt ein Mensch aufgewachsen ist. Damit stützt sie das Konzept des Linguisten Noam Chomsky, dass es ein angeborenes universelles System für Grammatik gibt. Bei Affen ist diese Faserverbindung nur schwach ausgeprägt. Schimpansen und Makaken können zwar Wörter lernen, aber keine phrasenähnlichen Kombinationen bilden.
Der markante Fasciculus arcuatus könnte auch der Grund dafür sein, dass es Menschen besonders gut gelingt, zu verstehen, was andere denken und wie sie voraussichtlich reagieren werden – eine Fähigkeit, die als „Theory of Mind“ bezeichnet und in der frühen Kindheit erworben wird.
Angela D. Friederici untersucht auch die genetischen Grundlagen der normalen Sprachentwicklung, um Störungen dieses komplexen Prozesses zu analysieren. Die Wissenschaftlerin spürt dabei sowohl einzelnen Genen als auch Gen-Netzwerken nach, um die Komplexität der Sprachentwicklung zu verstehen.
Die Rolle von Erfahrungen bei der Sprachentwicklung steht ebenfalls im Fokus der Neurolinguistin. Sie erforscht, wie der Spracherwerb bei Kindern durch die Interaktion mit ihrer Umgebung und ihre Erfahrungen beeinflusst wird. Dabei interessiert sich Angela D. Friederici auch dafür, wie Kinder Sprache in einer mehrsprachigen Umgebung erwerben.
Die Forschung der vielseitigen Grundlagenforscherin hat wesentlich zu einem vertieften Verständnis der komplexen Interaktionen zwischen genetischen, epigenetischen und Umweltfaktoren beigetragen, die den langen Prozess des Spracherwerbs formen. Ihre Forschung legt auch die Basis für ein besseres Verständnis von Sprachstörungen und möglichen Ansatzpunkten, ihnen entgegenzuwirken. Durch ihren interdisziplinären Ansatz als Linguistin, Psychologin und Neurowissenschaftlerin ist es Angela D. Friederici gelungen, eine Brücke zwischen Geistes- und Naturwissenschaft zu schlagen.
Emil-Abderhalden-Str. 35
06108 Halle (Saale)
Tel. | 0345 - 47 239 - 120 |
Fax | 0345 - 47 239 - 149 |
archiv (at)leopoldina.org |