Profile exzellenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei AcademiaNet.
Suchen Sie unter den Mitgliedern der Leopoldina nach Expertinnen und Experten zu Fachgebieten oder Forschungsthemen.
Foto: Uwe Dettmar
Wahljahr: | 2010 |
Sektion: | Biochemie und Biophysik |
Stadt: | Frankfurt (M.) |
Land: | Deutschland |
Ivan Đikić ist Biochemiker, Molekularbiologe und Humanmediziner. Er erforscht an der Goethe‐Universität in Frankfurt am Main die molekularen Ursachen von Krankheiten, insbesondere von Krebs. Sein Hauptinteresse gilt dem Polypeptid Ubiquitin und der selektiven Autophagozytose („Selbstverdauung“) als Instrument der Zellerneuerung und Qualitätskontrolle.
Angeregt durch die Begegnung mit dem Biochemiker Joseph Schlessinger an der New York University beschäftigte sich Ivan Đikić in den 1990er Jahren zunächst mit der Übermittlung von zellulären Signalen durch Wachstumsfaktoren und ihre Rezeptoren. Noch mehr faszinierte ihn dann aber Ubiquitin, ein winziges, in allen Körperzellen enthaltenes Molekül, das aus nur 76 Aminosäuren besteht. Als Markierungssubstanz heftet sich das Ubiquitin, von verschiedenen Enzymen gesteuert, an defekte oder ausgediente Proteine, die daraufhin einem zellulären „Schredder“, dem Proteasom, zugeführt werden – während sich das Ubiquitin selbst von den „zum Tode verurteilten“ Proteinen wieder abkoppelt, so dass es wiederverwertet werden kann. An vielen lebenswichtigen Prozessen ist dieses Molekül, wie man inzwischen weiß, maßgeblich beteiligt – von der Zellteilung über die Reparatur der DNA bis zu Stress- und Immunreaktionen. Wie kann dieses Molekül so viele verschiedene Funktionen ausüben?
Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage wurde Ivan Đikić zu einem Kenner der komplexen, vom Ubiquitin vermittelten Kommunikations‐ und Interaktionsstrukturen. Durch ausgedehnte, verschieden verzweigte Molekülketten sendet das Ubiquitin spezifische Signale aus, die von spezialisierten Domänen in anderen Proteinen erkannt werden, so dass die Botschaft dekodiert und ein entsprechender Auftrag von der Zelle ausgeführt werden kann. Đikić konnte solche so genannten „Ubiquitin‐bindenden Domänen“ in zahlreichen Proteinen identifizieren und zugleich nachweisen, dass fehlerhafte Formen der Ubiquitinierung für Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer oder Parkinson mitverantwortlich sind.
Mit der Entdeckung und detaillierten Beschreibung eines seit langem gesuchten Ubiquitin-Rezeptors auf dem Proteasom (Rpn 13) erregte Đikić 2008 weltweit Aufsehen. Darüber hinaus fand er mit der Identifizierung der linearen Ubiquitin‐Ketten einen bis dahin unbekannten Kettentyp, der vor allem bei Immunreaktionen und damit verbundenen Entzündungen eine Rolle zu spielen scheint.
Vor dem Hintergrund seiner doppelten Ausbildung zum Biochemiker und Mediziner ließ sich Đikić immer wieder von medizinisch relevanten Fragestellungen leiten. Gelänge es zum Beispiel, das Ubiquitin‐Netzwerk in der Krebszelle zu verstehen, könnte man dort mit einer neuen Klasse von Medikamenten gezielt angreifen. Als Grundlagenforscher liefert Đikić der Pharma‐Industrie die molekularen Codes, die sie für die Entwicklung solcher neuartigen Arzneimittel benötigt.
Zweiter Forschungsschwerpunkt von Ivan Đikić ist die selektive Autophagozytose, mittels derer Zellen gezielt eingedrungene Pathogene, aggregierte und nicht mehr funktionsfähige Proteine oder Zellorganellen abbauen können. Diese werden hierfür mit Ubiquitin markiert und von speziellen Rezeptoren erkannt. Anschließend werden die zu entsorgenden Güter von Membranen umgeben, die sich zu Vesikeln, den Autophagosomen, schließen, und werden letztlich durch lysosomale Enzyme zerkleinert.
In den vergangenen Jahren trug Đikić entscheidend zum Verständnis der molekularen Mechanismen der selektiven Autophagozytose von Salmonellen bei. So gelang es ihm, einen speziellen Autophagozytose-Rezeptor (Optineurin) zu identifizieren, der die Beseitigung Ubiquitin-markierter Salmonellen reguliert. Zudem konnte er gemeinsam mit Kollegen in einem globalen Ansatz die Ubiquitinierungsvorgänge nach dem Eindringen der Salmonellen in die Wirtszelle bestimmen. Diese Erkenntnisse sind angesichts der immer häufiger vorkommenden Resistenzen bei der Entwicklung neuer Antibiotika von hoher biomedizinischer Relevanz.
Vor kurzem erweiterte sich sein Forschungsinteresse um die selektive Autophagozytose des endoplasmatischen Retikulums (ER), ein bis dahin kaum verstandener Prozess. Đikić identifizierte mehrere Rezeptoren, die die Morphologie des ER regulieren und die für die Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase unverzichtbar sind. Somit ist nicht verwunderlich, dass Mutationen in diesen Rezeptoren (FAM134) zur Entwicklung sensorischer Neuropathien im Menschen führen.
Ivan Đikić setzt sich für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein. Die von ihm 1998 initiierte „Dubrovnik Conference on Signalling“ entwickelte sich zu einem lebendigen Forum für den interdisziplinären Austausch zwischen Forschern aus Ost‐ und Westeuropa.
Emil-Abderhalden-Str. 35
06108 Halle (Saale)
Tel. | 0345 - 47 239 - 120 |
Fax | 0345 - 47 239 - 149 |
archiv (at)leopoldina.org |