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Foto: Max-Planck-Institut für Biochemie
Wahljahr: | 2010 |
Sektion: | Physik |
Stadt: | Martinsried |
Land: | Deutschland |
Forschungsschwerpunkte: Entstehung zellulären Lebens, Modell einer Minimalzelle, Membranbiophysik, Lipid-Protein-Interaktionen, Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie (FCS)
Petra Schwille ist eine deutsche Biophysikerin, die die physikalisch-chemischen Voraussetzungen für die Entstehung zellulären Lebens erforscht. Sie verfolgt dabei einen Bottom-Up-Ansatz und baut minimale biologische Funktionsmodule auf Basis von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren, um die essentiellen Eigenschaften von lebenden Zellen nachzuahmen. Für ihren Forschungsansatz entwickelte die Wissenschaftlerin eigene Untersuchungsmethoden, insbesondere zur Charakterisierung der Dynamik molekularer Interaktionen.
Die sogenannte minimale Zelle ist die Idee einer im Labor hergestellten Lebensform, also einer künstlichen Zelle, die nur die absolut notwenigen Bestandteile enthält, um überlebensfähig zu sein. Sie soll die „Urzelle“, also die erste lebende Zelle, nachahmen. Petra Schwilles Augenmerk gilt besonders den biologischen Membranen, die aus einer Vielzahl von Proteinen und Lipiden aufgebaut sind. Sie begrenzen Zellen als Ganzes und sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich Systeme aus biochemischen Reaktionen überhaupt dauerhaft bilden können.
Um grundlegende biologische Vorgänge besser zu verstehen, die auf der dynamischen Wechselwirkung zwischen Biomolekülen beruhen, entwickelt die Biophysikerin selbst Methoden für deren Erforschung. Sie hat die physikalisch-chemische Methode der Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie so erweitert, dass sie auch in lebenden Systemen wie Zellen und Organismen angewandt werden kann. So lassen sich Konzentrationen und Dynamiken biologischer Moleküle in ihren natürlichen Umgebungen mit enormer Präzision ermitteln.
Um Prozesse auf Zellmembranen zu studieren und der Beziehung zwischen Membranproteinen und den umgebenden Lipiden auf die Spur zu kommen, haben die Biophysiker zellähnliche Modellmembransysteme entwickelt. Die lokale Lipidumgebung gilt dabei als wichtiges Element für die Anreicherung und Funktion von Membranproteinen, ein Phänomen, das als „Raft-Hypothese" bezeichnet wird.
Eine eigenständige Minimalzelle ist das Fernziel, doch derzeit konzentriert sich die Biophysik auf einzelne, essentielle Eigenschaften von Zellen, wie beispielsweise deren Teilung. Ein solches minimales biochemisches System zu bauen, das sich ohne Steuerung von außen kontrolliert in zwei Tochtersysteme teilt, steht derzeit im Fokus der Arbeiten von Petra Schwille.
Das Forschungsteam legt sein Augenmerk dabei vor allem auf Membranvesikel, die etwa so groß sind wie unsere Körperzellen, aber nur aus Phospholipidhüllen bestehen, in denen sich eine festgelegte Mischung von Proteinen befindet, die die Teilung auslösen sollen. Das Team konnte bereits fünf verschiedene Proteine, die ursprünglich aus einem Bakterium stammen, in einem solchen Vesikel kombinieren und zur Selbstorganisation bringen, so dass sich in der Mitte des Vesikels ein Teilungsring bildet und beginnt, sich einzuschnüren – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Teilung.
Neben dem Anspruch eines besseren quantitativen Verständnisses essentieller zellulärer Prozesse geht Petra Schwille mit dieser Forschung auch einer Grundfrage nach, die das menschliche Selbstverständnis berührt: Welche Prozesse machen letztlich das Leben aus, und wie könnte es entstanden sein? Dabei hat ihr reduktionistischer Ansatz, natürliche Phänomene auf ihre Minimalanforderungen zurückzuführen und daraus eine Bottom-up-Rekonstruktion abzuleiten, das Potenzial, auch andere fundamentale Fragen in der Biologie auszuloten.
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