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Pressemitteilung | Montag, 3. September 2018

Leopoldina-Expertengruppe: Deutschland droht den Anschluss in der Luftfahrtforschung zu verlieren

Die Schlüsselindustrien der Luftfahrt haben in den vergangenen Jahrzehnten in Europa eine Konsolidierung erlebt. In der Folge könnte Deutschland den Anschluss in der Luftfahrtforschung verlieren. Darauf weist eine Expertengruppe der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina im heute veröffentlichten Diskussionspapier „Zukunftsfähigkeit der Luftfahrtforschung in Deutschland“ hin. Darin betonen die Autoren die exzellente Infrastruktur der hiesigen Luftfahrtforschung, weisen aber gleichfalls auf einen schleichenden Expertiseverlust in wichtigen Forschungsfeldern hin. Vor allem die wichtige Schlüsselkompetenz der Luftfahrt, die „Systemfähigkeit“, gelte es mit neuen Forschungsfeldern wie CO₂-neutralem Fliegen und unbemannter Luftfahrt zu erhalten und auszubauen.

Die Infrastruktur für Luftfahrtforschung mit Windkanälen und anderen Großanlagen sei in Deutschland herausragend, betonen die Autoren und fordern, diese auch in Zukunft zu nutzen. Die Internationalisierung in der Luftfahrt führe zu einer gestiegenen Arbeitsteiligkeit über Ländergrenzen hinweg, ein schleichender Verlust der nationalen Systemfähigkeit im Flugzeugbau sei zu beobachten.

Die Chancen, die sich aus künftigen Anforderungen an die Luftfahrt ergeben, sollten genutzt werden, um diese Expertise zu erhalten beziehungsweise wieder aufzubauen. Zukunftsträchtige Forschungsfelder wie zum Beispiel die Verbesserung der Schadstoffbilanz im Luftverkehr, die Reduktion von Fluglärm, die Entwicklung unbemannter Flugzeuge oder Innovationen im Flugverkehrsmanagement angesichts des steigenden Luftfahrtaufkommens, könnten Ausgangspunkt für neue Kompetenzen werden.

Die Autoren stellen jedoch fest, dass wichtige Grundlagen-Disziplinen der Luftfahrttechnik hierzulande inzwischen fast nicht mehr vertreten sind, so zum Beispiel die Flugmechanik. Viele Ingenieure in diesen Fachgebieten arbeiteten nicht mehr in Deutschland. Durch die enge Verbindung zwischen Industrie und Forschung im Flugzeugbau wirke sich diese Entwicklung auch auf Universitäten und Forschungseinrichtungen aus. Exzellente Bewerberinnern und Bewerber auf freie Lehrstühle fehlten und dadurch könne langfristig die Qualität in der wissenschaftlichen Ausbildung nicht mehr gewährleistet werden.

Auch in anderen technikwissenschaftlichen Disziplinen seien Ingenieure aus der Luftfahrtindustrie gefragte Fachkräfte. Die im Flugzeugbau beteiligten Disziplinen Flugmechanik, Aerodynamik, Leichtbau und Strukturdynamik, Systemtechnik sowie Antriebstechnik sind durch die hohen Anforderungen so eng miteinander verzahnt, dass eine Vielzahl bahnbrechender Technologien hier ihren Anfang genommen hat, zum Beispiel Antiblockiersysteme (ABS) in Autos, die Kohlefasertechnologie oder Grundlagen der Telekommunikation.

Die Autoren schlagen unter anderem vor, die Luftfahrtstrategie der Bundesregierung zu erweitern, um die Luftfahrtindustrie und die damit verbundene Forschung zu stärken. Weiterhin empfehlen die Wissenschaftler, Informationen über die aktuelle Situation der Wissenschaft im Bereich Luftfahrttechnik in Statusberichten zu erfassen und damit nutzbar zu machen.

Das Diskussionspapier ist Ergebnis einer Arbeitsgruppe von Ingenieurwissenschaftlern der Technischen Universitäten Braunschweig, Darmstadt und München sowie der Universitäten Bremen und Stuttgart.

Publikationen in der Reihe „Leopoldina Diskussion“ sind Beiträge der genannten Autorinnen und Autoren. Mit den Diskussionspapieren bietet die Akademie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, flexibel und ohne einen formellen Arbeitsgruppen-Prozess Denkanstöße zu geben oder Diskurse anzuregen und hierfür auch Empfehlungen zu formulieren.

KONTAKT

Leopoldina

Caroline Wichmann

Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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