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Pressemitteilung | Mittwoch, 1. September 2021

Leopoldina verleiht Carus-Medaillen an Tanja Stadler und Dominic Bresser für ihre Beiträge im Bereich der biologischen Modellierung und der Batterieforschung

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina würdigt die herausragenden Forschungsarbeiten der Mathematikerin Tanja Stadler und des Chemikers Dominic Bresser mit den diesjährigen Carus-Medaillen. Die Auszeichnungen werden – vorbehaltlich der dann vorherrschenden Pandemie-Situation – im Rahmen der feierlichen Eröffnung der Leopoldina-Jahresversammlung am Freitag, 24. September 2021, in Halle (Saale) überreicht.

Die Mathematikerin Prof. Dr. Tanja Stadler (Jahrgang 1981) forscht auf dem Gebiet der mathematischen und theoretischen Biologie. Mit ihrer Arbeit will sie nachvollziehen, wie die Entstehung von Arten zur heutigen Biodiversität geführt hat – was auch für Zukunftsszenarien bedeutsam ist. Mit ihrem mathematisch-statistischen Ansatz lässt sich aus genetischen Sequenzinformationen präziser als bisher auf stammesgeschichtliche Beziehungen schließen. Die von ihr entwickelten Modelle zur Entstehung von Arten (Phylogenie) haben international Beachtung gefunden. Sie zeigten etwa, dass die Evolution der Säugetiere bereits weit vor dem Aussterben der Dinosaurier begonnen haben muss und damit früher als bisher angenommen. Tanja Stadler kann mit ihren Modellen aber auch nachvollziehen, wie epidemische Infektionskrankheiten entstehen und wie sich Zelllinien entwickeln. Während der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika half sie mit ihrem Team, anhand der Gensequenzen von kursierenden Ebolaviren die Dunkelziffer, Inkubationszeit und ansteckende Phase präziser zu bestimmen. Im Bereich HIV befasste sie sich unter anderem mit den Übertragungswegen eines Erregers in einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Ihre Kenntnisse waren und sind auch in der Coronavirus-Pandemie gefragt. So gelang es ihr, die zur Einschätzung der Infektionsdynamik wichtige Reproduktionszahl R allein anhand der Sequenzdaten von SARS-CoV-2 zu ermitteln. In der Schweiz leitet sie überdies ein Konsortium zur Sequenzierung von SARS-CoV-2 und engagiert sich in dem Expertengremium COVID-19 Science Task Force.

Tanja Stadler studierte angewandte Mathematik an der Technischen Universität (TU) München, der University of Cardiff/UK und der University of Canterbury/Neuseeland. Im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der TU München entwickelte sie neuartige Modelle im Bereich der Phylogenie zur Entstehung und zum Aussterben von Arten. Seit 2008 forscht sie in der Schweiz an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, wo sie von 2011 bis 2013 zunächst in der Abteilung von Prof. Dr. Sebastian Bonhoeffer am Institut für Integrative Biologie eine Nachwuchsforschungsgruppe leitete. Im Anschluss daran wurde sie Assistenzprofessorin für computergestützte Evolution am ETH-Department für Biosysteme in Basel. Seit 2017 hat sie dort eine außerordentliche Professur inne. Tanja Stadler gehört seit März 2020 der Swiss National COVID-19 Science Task Force an und übernahm im August 2021 deren Leitung. Ihre wissenschaftliche Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet. Vom Europäischen Forschungsrat (ERC) erhielt sie einen ERC Starting Grant und 2020 einen Consolidator Grant. Darüber hinaus wurde ihr unter anderem der John Maynard Smith Preis der Europäischen Gesellschaft für Evolutionsbiologie verliehen (2012) und von der ETH 2013 der Latsis- und der Zonta-Preis sowie 2016 die Goldene Eule für die beste Lehre.

Der Physikochemiker Dr. Dominic Bresser (Jahrgang 1983) befasst sich mit der Energiespeicherung in Batterien. Sie zu verbessern und nachhaltiger zu machen, ist für die Elektromobilität und andere für die Energiewende relevante Bereiche bedeutsam. Dominic Bresser erforscht alternative Elektrodenmaterialien und Elektrolytsysteme für Lithium-basierte Batterien und ähnliche Technologien. Dabei trug er wesentlich zu verschiedenen Innovationen bei. So entwickelte er beispielsweise zwei neue Klassen von Anodenmaterialien sowie ein Elektrolytsystem, das auf ionischen organischen Flüssigkristallen basiert. Am Helmholtz-Institut Ulm ist er federführend an Projekten beteiligt, in denen feuersichere Festkörperbatterien entwickelt werden, bei denen polymerbasierte Festkörperelektrolytsysteme die flüssigen Elektrolyte ersetzen. Mit Blick auf Umweltaspekte sind auch seine Arbeiten zu nachhaltigen und organischen Batterietechnologien von Bedeutung. Denn Lithium, Kobalt und Graphit, die Materialien, die für herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien benötigt werden, gelten angesichts der zu erwartenden Verknappung als kritische Rohstoffe. Unter anderem forscht Dominic Bresser daher auch an Natrium-Ionen-Batterien, die auf Basis von Natriumchlorid arbeiten, das beispielsweise in Meerwasser reichlich vorhanden ist. Derartige Salzwasser-Batterien nehmen verhältnismäßig viel Raum ein und eignen sich somit eher für die stationäre Energiespeicherung – etwa für Windkraftanlagen an der Küste oder auf dem Meer. Seine Arbeiten helfen, die Palette der Speichertechnologien zu erweitern. Eine solche Diversifizierung ist wichtig, um für verschiedene Anwendungen passgenaue und ressourcenschonende Lösungen zu erarbeiten.

Dominic Bresser hat an der Universität Münster Wirtschaftschemie studiert und erwarb dort 2014 in der Arbeitsgruppe des Batterieforschers und Leopoldina-Mitglieds Prof. Dr. Stefano Passerini seinen Doktortitel in der Physikalischen Chemie. Zurzeit arbeitet er an seiner Habilitation an der Universität Ulm und leitet seit 2020 eine Forschungsgruppe am Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung des Karlsruher Instituts für Technologie. Zuvor war er drei Jahre lang Leiter einer Nachwuchsgruppe. Bevor er nach Ulm wechselte, arbeitete er als Postdoc im Rahmen eines Enhanced-Eurotalents-Stipendiums der Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen der Europäischen Kommission am französischen Energieforschungszentrum CEA in Grenoble. Für seine Arbeit wirbt er seit Jahren mit großem Erfolg Fördermittel ein – unter anderem von der Vector Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Die Carus-Medaille wurde anlässlich des 50. Professorenjubiläums des XIII. Präsidenten der Leopoldina, Carl Gustav Carus (1789–1869), gestiftet und erstmals im Jahr 1896 vergeben. Sie würdigt bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen oder Forschungsleistungen jüngerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf einem in der Leopoldina vertretenen Gebiet. Zu den bisherigen Preisträgern und -trägerinnen gehören Jacques Monod (1965), der im gleichen Jahr mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geehrt wurde, Christiane Nüsslein-Volhard (1989), die 1995 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie erhielt, und Stefan Hell (2013), der im Folgejahr mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde. Seit 1961 ist sie mit dem von der Stadt Schweinfurt ─ Gründungsort der Leopoldina ─ gestifteten und mit 5.000 Euro dotierten Carus-Preis verbunden.

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Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7-und G20-Gipfel. Sie hat 1.600 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

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