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Pressemitteilung | Dienstag, 26. Mai 2009

Gut gerüstet für den demographischen Wandel

Der demographische Wandel in Deutschland ist eine Tatsache. Allerdings wird er oft nur als Bedrohung für Lebensstandard, Sozialsysteme und die gesellschaftliche Entwicklung dargestellt – verbunden mit dem Ruf nach politischen Entscheidungen, um diese Folgen abzumildern.

"In der Tat müssen hier auch politische Entscheidungen getroffen werden", erklärt die Alternsforscherin Prof. Dr.  Ursula M. Staudinger, Vizepräsidentin der Leopoldina und Vizepräsidentin der Jacobs University Bremen GmbH und dort Gründungsdekanin des Centers on Lifelong Learning and Institutional Development.  Die Psychologin liefert die Erklärung dafür, warum auf diesem Gebiet politisch bislang vergleichsweise wenig geschehen ist: "Die Komplexität der beteiligten Prozesse macht politische Entscheidungen nicht einfach. Altern ist ein Thema das quer zu den ministeriellen Ressorts liegt. Es erfordert konzertierte Aktionen", sagt die stellvertretende Sprecherin der interdisziplinären Akademiengruppe "Altern in Deutschland".

Altern interdisziplinär erforschen

Darum hat die Akademiengruppe in einer dreijährigen Arbeit alle relevanten Forschungsergebnisse aus den verschiedensten Bereichen zusammengetragen, bewertet und daraus ihre Empfehlungen abgeleitet. Die gute Nachricht für Politik und Öffentlichkeit: Der demographische Wandel ist keine Bedrohung, sondern die gewonnenen Jahre bieten neue Chancen. Die Voraussetzungen: Veraltete Vorstellungen und Vorurteile in den Köpfen der Menschen über die Leistungsfähigkeit und Potenziale älterer Menschen müssen revidiert und die Weichen auf verschiedenen politischen Ebenen richtig gestellt werden.

Die Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung, vor allem der Zugewinn an (gesunden) Lebensjahren, gehört zu den Potentialen des Alters und des Alterns. Staudinger: "Es gibt damit eine große Bandbreite an Leistungsfähigkeit und Handlungsoptionen, die im Alter prinzipiell offen steht."

Veraltete Vorstellungen revidieren

Es gelte jedoch, so Staudinger, vor allem veraltete Vorstellungen über die Gliederung und Strukturierung des Lebensverlaufs über Bord zu werfen. »Eine Gesellschaft des längeren Lebens erfordert auch ein längeres Arbeits- und Bildungsleben. Arbeit und Lernen müssen zu einem selbstverständlichen kontinuierlichen Bestandteil eines erfüllten längeren Lebens werden«, so die Psychologin zu einem wesentlichen Bereich der Empfehlungen.

Neue Konzepte etablieren

Dies ist jedoch nach Meinung der Akademiegruppe unter den gegenwärtig herrschenden Arbeitsbedingungen und den Bedingungen der Aus-, Weiter- und Fortbildung nicht in ausreichendem Maß möglich. Hier sind Unternehmen, Politik aber auch die einzelnen Menschen gefordert. So fordert die Akademiengruppe beispielsweise eine Flexibilisierung der Dauer der Berufstätigkeit– ohne Aufgabe des gesetzlichen Rentenalters: Je nach Fähigkeit und Wunsch sollte es möglich sein, länger im Beruf zu bleiben, als es das derzeitige Arbeitsrecht und Tarifverträge vorsehen.

Ein Leben lang lernen

Die Unternehmen müssen mehr in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter investieren. "Weiterbildung muss zum normalen Bestandteil der Erwerbsarbeit werden", sagt Staudinger, "und die Mitarbeiter müssen diese Weiterbildung etwa mit Hilfe einer Zertifizierung nachweisen können." Dazu bedarf es eines Finanzierungsmodells, das den Einzelnen genauso in die Pflicht nimmt wie den Arbeitgeber und auch den Staat, etwa über »Bildungskredite« und bestehende »Rentenanwartschaften«. Hinzu kommen müssen auch Möglichkeiten, rechtzeitig aus körperlich stark belastenden oder geistig erschöpfenden Tätigkeiten in andere umzusteigen, neue Karrieren nach Weiterbildung in anderen Berufsfeldern müssen möglich sein.

Die Empfehlungen der Wissenschaftlergruppe sind bei den Politikern auf offene Ohren gestoßen. Der gerade wieder gewählte Bundespräsident, Horst Köhler, an den die Empfehlungen übergeben wurden, will mit der Leopoldina zusammen die Ergebnisse weiter in die Gesellschaft hineintragen. Außerdem wurde Staudinger beispielsweise als Vertreterin der Akademiengruppe in den »Beirat Neue Kultur der Arbeit« des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales berufen und berät auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. »Die Gestaltung einer Gesellschaft für alle Lebensalter wird eine der wichtigen politischen Aufgaben der nächsten Dekade« sagt Staudinger.

Potenziale systematisch erforschen

Bisher gibt es in Deutschland allerdings noch kein breit interdisziplinär angelegtes Forschungsinstitut, das die Potenziale des Alters und Alterns systematisch erforscht und daraus Hinweise für die Gestaltung von Lebens-, Arbeits- und Bildungsumwelten ziehen könnte, bemängelt die Akademiegruppe. »Genau dies wäre aber nötig, um die Potentiale des Alters auf breiter Basis erschließen zu können«, sagt Staudinger. Denn die Akademiengruppe »Altern in Deutschland« hat zwar die vorhandenen Forschungsergebnisse gesichtet und bewertet, aber war nicht dazu angelegt, eigenständige Forschung zu betreiben.

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