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Pressemitteilung | Mittwoch, 17. Juni 2009

EASAC fordert ein zusammenhängendes Stromnetz innerhalb der EU zur Erreichung der Klimaziele

Die Ziele zur Verwendung erneuerbaren Energien können nicht erreicht werden, ohne dass die Stromnetze der EU komplett überholt, verbessert und vollständig miteinander verknüpft werden. Zu diesem Ergebnis ist die Leopoldina zusammen mit anderen Akademien - im Zusammenschluß EASAC, dem European Academies Science Advisory Council - in einer detaillierten Studie gekommen.

Die Transformation der Energieversorgung Europas – Eine Infrastruktur-Strategie für ein verlässliches, erneuerbares und sicheres Energiesystem

Die Europäische Union hat sich das Ziel eines 20%igen Anteils der Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 gesetzt. Die Studie legt jedoch dar, dass die derzeitigen Systeme schlecht eingebunden und koordiniert sind und nur eine sehr begrenzte Kapazität besteht, Energie von den Generatoren erneuerbarer Energien über weite Entfernungen und nationale Grenzen hinweg zu jenen Standorten zu leiten, an denen die Energie benötigt wird.

Die Studie zeigt auf, dass zur Erreichung der Klimaziele grundlegende Veränderungen in den europäischen Stromnetzen und eine weitaus größere Koordination und Integration notwendig sind. Sie gibt den Entscheidungsträgern innerhalb der EU eine detaillierte Vorlage für eine wissenschaftlich fundierte Gestaltung eines effizienten gesamteuropäischen Netzes an die Hand. Die Studie argumentiert auch, dass eine Reform des augenblicklichen Stromnetzsystems wesentliche Verbesserungen für die europäischen Verbraucher bringen wird.

Welche Planungsprozesse sind für ein europäisches Stromnetz notwendig, damit Investitionen in dessen Transmissionskapazität an den richtigen Stellen ansetzen? Wie sollte ein europäisches Stromnetz betrieben werden, damit sichergestellt werden kann, dass aus der gegebenen Struktur der maximale Nutzen entsteht? Welches sind die Implikationen – im Hinblick auf operative Anforderungen und die Anforderungen von Umwelt, Energieeffizienz und Investitionen – der augenblicklichen und absehbaren Entwicklungen der Transmissionstechnologie?

Europäische Energiepolitik strebt danach, einen pan-europäischen wettbewerblichen Energiemarkt zu schaffen und die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen wesentlich zu erhöhen. In den kommenden Jahren werden diese zwei Faktoren einen signifikant erhöhten Transfer von sehr großen Mengen an Elektrizität erfordern, über weite Strecken und innereuropäische Grenzen hinweg. Nun sind jedoch das existierende europäische Stromnetz und der generell niedrige Grad an Integration und Koordinierung in der Planung und Benutzung des Netzes nicht dazu geeignet, einen solchen Transfer von Elektrizität zu unterstützen – und damit auch nicht die Erreichung der Ziele der europäischen Energiepolitik. EASAC  hat daher jene Entwicklungen untersucht, die für die Planung, Benutzung und Infrastruktur des europäischen Stromnetzes notwendig wären.

Die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie zur Beantwortung der drei vorangestellten Fragen werden unten zusammenfassend dargestellt. Basierend auf den allgemeinen Stromnetzplanungsprinzipien, -verfahren und -szenarien hat EASAC erwogen, dass eine viel stärker koordinierte und harmonisierte Planung nötig ist. Spezifische Empfehlungen sind:

  • Gemeinsame europäische Modelle des Stromnetzes und des Elektrizitätsmarktes müssen entwickelt werden, welche die Stromflüsse, die Strom- und Energie-Austausche und die Ökonomie der Elektrizitätserzeugung und –übertragung simulieren. Dynamische Modelle von jeder der vier synchronen Regionen Europas sind ebenfalls vonnöten. Diese Entwicklungen würden angemessenerweise durch eine Zusammenarbeitsinitiative der Betreiber der Übertragungssysteme erreicht werden. Die Europäischen Länder sollten einander auch die Stromnetzdaten mitteilen, um eine präzisere Simulation für verschiedene Regionen zu ermöglichen.
  • Auf europäischer Ebene sollte eine Reihe von gemeinsamen und bindenden Prinzipien zur Planung des Stromnetzes festgelegt werden, zum Zweck der kurz- und langfristigen Planung. Themen, die dabei adressiert werden müssen, sind u.a. das Finden einer Methode zur Festlegung zukünftiger Szenarien und die Definition glaubwürdiger Störfälle und ihrer akzeptablen Konsequenzen. Die Pläne müssen regelmäßig aktualisiert werden.
  • In Anbetracht der Größe des europäischen Stromnetzes wird es zwangsläufig eine Kombination von „top-down– “ und „bottom-up–“ Planungsprozessen geben, die sich innerhalb eines klaren Rahmenwerks abspielen. Unkoordinierte lokale Entscheidungen werden unvermeidlich zu Schwierigkeiten führen.
  • Die Herangehensweise, welche für die Planung der operationalen Sicherheit des Bestandes gewählt worden ist bedarf weiterer Untersuchung. Die Entscheidungen zur operationalen Sicherheit des Bestandes müssen auf gesamteuropäischer Ebene getroffen werden.
  • Die Einnahmen, die durch das Überlastungsmanagement erwirtschaftet werden, sollten in Projekte investiert werden, welche die Transmissionskapazität stärken.
  • Die erfolgreiche Umsetzung eines effektiven europäischen Transmissionssystems braucht einen Personalbestand mit den erforderlichen Fähigkeiten. Für diese Kapazität muss vorausgeplant werden, und die angemessenen Strukturen für Ausbildung und berufliche Weiterentwicklung müssen geschaffen werden.

Der Betrieb des europäischen Stromnetzes wird durch ein stärker koordiniertes Vorgehen, das auf einem substantiell verbesserten Austausch von Daten basiert, geleistet werden müssen. Um korrekte Preissignale zu produzieren, welche effektive Netzentwicklung und –betrieb garantieren, müssen effektive Marktmechanismen entwickelt werden. Der Markt muss mit physischer Infrastruktur und Betrieb kompatibel sein. Dies sind unsere spezifischen Empfehlungen:

  •  Wenn Leistungsanreize und Subventionen angewandt werden, dann müssen sie in ganz Europa harmonisiert sein, damit ein optimiertes Transmissionssystem geschaffen wird und die korrekten Preissignale gegeben werden.
  • Überlastung muss auf eine koordinierte Weise und auf der Grundlage eines europäischen (EU) Systems gehandhabt werden. Im Zuge der anwachsenden Verflechtung wird es einen größeren Bedarf an EU-weiten Kontrollsystemen, die auf Echtzeit-Information von fortgeschrittener Telemetrik und den Gebrauch von Aktivierungs-Kontrollen in Echt-Zeit basieren, geben. Dies wird wohl der Forschung und Entwicklung bedürfen.
  • Themen bezüglich der Mitwirkung der Nachfrage-Seite werden angesprochen werden müssen. Außerdem wird es gelten, ein besseres Verständnis derjenigen Folgen für die Elektrizitäts-Übertragung auszubilden, die sich aus den Entwicklungen in der Beanspruchungs-Diversität – z.B. die großflächige Einführung von Heizpumpen oder Elektroautos – ergeben.

Die Transmissionskapazität der existierenden Netze sollte durch die Anwendung von angemessenen Kontrolltechnologien verbessert werden, aber in allen Szenarien ist die Erweiterung des Stromnetzes erforderlich. Obwohl die Auswahl der Transmissionstechnologien von den spezifischen Gegebenheiten abhängig sein wird, entwickelt sich die Hochstrom-Übertragungstechnologie von Gleichstrom sehr schnell und sollte als eine angemessene Methode der Massenübertragung von Strom von Ort zu Ort in Erwägung gezogen werden. Ebenso verbessert sich die Transmissionskabel-Technologie, sowohl im Wechselstrom- als auch im Gleichstrom-Bereich. Auf diese Weise werden der Einsatz höherer Spannungen und eine größere Kapazität der Stromtransmission möglich und in der Folge davon auch eine Reduktion des Kostenunterschieds im Vergleich mit Überlandleitungen. Dies sind wichtige Erwägungen im Zusammenhang des öffentlichen Widerspruchs gegen neue Überlandleitungen aufgrund ihres optischen Effekts. Allerdings wird nicht angenommen, dass es technisch und wirtschaftlich möglich sein wird, alle existierenden Überlandleitungsstromkreise gegen versenkte Kabel auszutauschen. Zukünftige europäische Forschung und Entwicklung von Transmissions-Technologien sollten sicherstellen, dass sich die Investitionskosten, die Einwirkungen auf die Umwelt und die Energieverluste kontinuierlich verringern, und könnten z.B. die Entwicklung von gasinsulierten und Hochtemperatur-Hochleistungsstromleitern einschließen.

EASAC ist die Plattform, auf welcher die nationalen Naturwissenschafts-Akademien der Europäischen Union zusammenarbeiten, um unabhängige und evidenzbasierte Empfehlungen zu den naturwissenschaftlichen Aspekten der öffentlichen Ordnung an diejenigen zu geben, welche die Politik der Europäischen Institutionen erarbeiten oder beeinflussen.

KONTAKT

Leopoldina

Julia Klabuhn

Kommissarische Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

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