Leopoldina Home Menü

Leopoldina Home

Pressemitteilung | Donnerstag, 15. Oktober 2009

Akademien empfehlen neue Ausrichtung der Energieforschung in Deutschland

In einer gemeinsamen Empfehlung fordern die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Akademie der Technik-wissenschaften acatech und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (für die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften) eine Forschungsoffensive zugunsten einer integrativen und disziplinenübergreifenden Energieforschung sowie die Einrichtung eines nationalen Koordinierungsgremiums mit Richtlinienkompetenz. Die Akademien weisen darauf hin, dass die Lösung der Energiefrage im Spannungsfeld von Klima- und Umweltschutz sowie Versorgungssicherheit eine existentielle Aufgabe der Zukunft ist.

Für eine zukunftsfähige Energiepolitik in Deutschland müssten alle technologischen Zukunftsoptionen einschließlich der forcierten Nutzung regenerativer Energien, der Nutzung fossiler Energieträger mit Hilfe der Abtrennung und Lagerung von Kohlendioxid (CCS), der Kernenergie und der Fusion intensiv erforscht werden. Darüber hinaus seien verstärkte Anstrengungen zur Verbesserung der Energieeffizienz unabdingbar, gleichgültig welche anderen Optionen in Zukunft ausgebaut würden.

Um zu einer Vereinheitlichung der Forschungsschwerpunkte zu kommen, soll zukünftig ein mit Richtlinienkompetenz ausgestattetes nationales Koordinierungsgremium einberufen werden, in dem neben den Ressorts auch unabhängige Wissenschaftler vertreten sind. Empfohlen wird zudem die Einrichtung von interdisziplinären Exzellenz-Clustern bzw. Kompetenzzentren, welche die Wechselwirkung von technischer Entwicklung und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stärker als bislang untersuchen.

In der Stellungnahme wird festgestellt, dass die Energieforschung in Deutschland stärker als in der Vergangenheit unter der Prämisse einer systemischen Betrachtung aller Aspekte der Energieversorgung stehen müsse. Derzeit stünden mehrheitlich Einzelthemen im Fokus der Forschungsförderung, was den Blick auf das Gesamtsystem und seine wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen verstelle. Das Ergebnis seien nicht selten redundante sowie fachspezifisch ausgerichtete Forschungsansätze, bei denen die Wechselwirkung mit sozialen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Bedingungen unberücksichtigt bliebe.

Die Wissenschaftsakademien plädieren für ein mit Richtlinienkompetenz ausgestattetes Koordinierungsgremium, in das Vertreter der Ministerien ebenso einberufen werden wie unabhängige Wissenschaftler. „Ein solches Gremium würde die vielfach zu einzelnen Förderprogrammen existierenden Beiräte ablösen“, sagte Professor Ferdi Schüth, einer der Koordinatoren der Empfehlung.

Das Akademienpapier, an dem über 100 Wissenschaftler aus Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, der Industrie und der Zivilgesellschaft mitgearbeitet haben, plädiert für eine engere Verzahnung der Forschung in Wissenschaft und Industrie. Um die Aktivitäten besser zu koordinieren, sprechen sich die Akademien für die Errichtung von interdisziplinären Exzellenz-Clustern bzw. Kompetenzzentren unter der Führung der Universitäten aus. Es solle auch über die Etablierung eines großen Energieforschungszentrums nachgedacht werden, in dem großtechnische Entwicklungen, eingebettet in Wirtschaft und Gesellschaft, vorangetrieben werden könnten. Eine Besonderheit des Gutachtens besteht in der Integration der Rechts-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften im Bereich der Energieforschung.

Die Gutachter sind sich einig, dass Energieforschung fundiertes und belastbares Wissen für spätere politische Entscheidungen bereitstellen müsse. Es umfasse daher sämtliche Optionen zukünftiger Energieversorgung, einschließlich der regenerativen Energien, der effizienteren Nutzung fossiler Energieträger und der Kernenergie, aber auch der Fusionstechnik. Auch die CO2-Abtrennung und -Lagerung (CCS-Technologie) sollte intensiv erforscht werden.

Unabhängig davon, auf welcher Basis die Energie zukünftig in Deutschland erzeugt wird, halten die Gutachter die Verbesserung der Energieeffizienz für ein unverzichtbares Element der künftigen Energiepolitik. Gleiches gelte für die Entwicklung verlustarmer Netzkonzepte, mit denen auf Schwankungen flexibel reagiert werden könne, wie sie durch die verstärkte Nutzung der Wind- und Sonnenenergie entstehen und gegenwärtig etwa für die Pläne zur Nutzung von Solarstrom aus dem Mittelmeerraum relevant sind. Hierzu sei neben neuen Netzen eine hoch entwickelte Netzsteuerung (Smart Grids) mit fortgeschrittenen Speichertechnologien zu entwickeln, um die steigenden Kapazitäten aus der Offshore-Windkraft besser nutzen zu können. Zu den unabdingbaren Forschungsanstrengungen gehört auch die Entwicklung wirksamer Instrumente und Maßnahmen zur nachhaltigen Steuerung der Energienachfrage im Sinne einer sicheren und klimafreundlichen Energieversorgung.

Koordinatoren und Verfasser des Gutachtens sind die Professoren Ferdi Schüth, Mülheim a. d. Ruhr (Leopoldina); Frank Behrendt, Berlin; Eberhard Umbach, Karlsruhe (acatech); und Ortwin Renn, Stuttgart (BBAW). Dem vorgestellten Bericht wird bis Mitte 2010 eine umfangreiche zweite Studie folgen.

KONTAKT

Leopoldina

Julia Klabuhn

Kommissarische Leiterin der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Tel. 0345 47 239 - 800
Fax 0345 47 239 - 809
E-Mail presse(at)leopoldina.org