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Pressemitteilung | Mittwoch, 2. September 2009

Leopoldina und Stifterverband ehren Jens Reich

Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis wird an den Molekularbiologen und DDR-Bürgerrechtler Professor Jens Reich verliehen. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina vergeben den mit 50.000 Euro dotierten Preis erstmalig. Der Preis ehrt mit Jens Reich eine Persönlichkeit, die durch herausragende Leistungen in der Wissenschaft als auch durch einen hohen Grad von Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft hervorgetreten ist.

Der Preis wird im Rahmen der Feierlichen Eröffnung der Leopoldina-Jahresversammlung am 2. Oktober 2009 in Halle an der Saale überreicht. Ausgewählt wurde der Preisträger vom Leopoldina-Senat auf Vorschlag einer Auswahlkommission. Insgesamt waren 24 Personen vorgeschlagen worden.

Mit Jens Reich erhält ein Wissenschaftler den Preis, der wissenschaftliche Exzellenz mit politischem und persönlichem Mut verbunden hat. Er hat sich kritisch mit der Genom- und Stammzellforschung auseinandergesetzt und sich immer wieder zu politischen Themen geäußert. „Jens Reich hat sich mit der Molekularbiologie und der Bioinformatik ein für einen Mediziner ungewöhnliches wissenschaftliches Arbeitsgebiet gewählt, auf dem er mit großer mathematisch- naturwissenschaftliche Kompetenz Bedeutendes geleistet hat“, so Leopoldina-Präsident Volker ter Meulen. „Es gehörte in der DDR nicht nur politischer Durchblick sondern auch persönlicher Mut dazu, wenn man sich der Dissidentenbewegung anschloss.“, hebt der Präsident des Stifterverbandes Dr. Arend Oetker hervor. „Jens Reich war wesentlicher Teil der ostdeutschen Revolution.“

Jens Reich wurde 1939 in Göttingen geboren und ist in der DDR aufgewachsen. Er hat an der Humboldt-Universität Berlin Medizin studiert. Nach einer kurzen Tätigkeit als Hausarzt machte er eine Weiterbildung zum Facharzt für Biochemie und wurde später Molekularbiologe und Bioinformatiker. 1968 wurde Jens Reich Arbeitsgruppenleiter für mathematische Modellierung des Stoffwechsels an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin.

Ab 1970 gehörte Jens Reich dem von ihm mitbegründeten "Freitagskreis" an, einer Gruppe von zirka dreißig oppositionell gesinnten DDR-Bürgern. Sie trafen in privatem Kreis zusammen, um sich kritisch mit dem System der DDR auseinander zu setzen. 1984 verlor er seinen Leitungsposten, weil er sich weigerte, seine Kontakte in die Bundesrepublik abzubrechen und Geheimnisträger in der molekularbiologischen Forschung zu werden und dabei sein privaten und kollegialen Kontakte und Genehmigungs- und Berichtspflicht zu stellen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, unter dem Pseudonym Thomas Asperger in der westdeutschen Zeitschrift "Lettre International" kritische Analysen des Systems DDR zu publizieren. Im September 1989 war Jens Reich einer der Autoren und Erstunterzeichner des Aufrufs "Aufbruch 89 - Neues Forum". Am 4. November 1989 sprach er wie Friedrich Schorlemmer, Christa Wolf, Ulrich Mühe und andere bekannte Persönlichkeiten der DDR auf der größten Demonstration der damaligen Zeit auf dem Alexanderplatz in Berlin. Im März 1990 wurde Jens Reich bei der einzigen freien Volkskammerwahl der DDR zum Abgeordneten von Bündnis 90, später Bündnis90/Die Grünen, gewählt. 1994 wurde er von einer unabhängigen Initiative als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten vorgeschlagen und durch Bündnis 90/Die Grünen dann nominiert.

1991 nahm er seine wissenschaftliche Tätigkeit an dem inzwischen gegründeten Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch wieder auf. Von 1992 bis zu seiner Pensionierung 2004 war er Forschungsgruppenleiter in der medizinischen Genomforschung im MDC und von 1998 bis 2004 C4-Professor für Bioinformatik an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2001 ist Jens Reich in den Nationalen Ethikrat, 2007 in dessen Nachfolge in den Deutschen Ethikrat berufen worden. Auch nach seiner Emeritierung ist er noch immer in seinem Arbeitsgebiet aktiv.
Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis wird im Jahr 2009 erstmalig vergeben. Er wird vom Stifterverband mit 50.000 Euro dotiert und wird künftig alle zwei Jahre verliehen. Dieser persönliche Preis zeichnet einzelne Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftler oder Forscherteams aus, die einen herausragenden Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Problembereiche geleistet haben. Mit der Benennung dieses Preises nach Carl Friedrich von Weizsäcker verleiht die Leopoldina ihrem Ehrenmitglied, einem herausragenden Gelehrten der Natur- wie der Geisteswissenschaften, der sich außerdem politisch stark engagiert hat, posthum ein dauerhaftes Andenken.

Der Preis ist der jüngste in einer Reihe von insgesamt sechs Wissenschaftspreisen, die der Stifterverband gemeinsam mit großen Wissenschaftsorganisationen auslobt. Dazu gehören zum Beispiel der Communicator-Preis (mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft) oder der Ars Legendi-Preis (mit der Hochschulrektorenkonferenz).

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