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Fluten, Dürren, Missernten – die Folgen des Klimawandels

Fluten, Dürren, Missernten – die Folgen des Klimawandels

Foto: AdobeStock | Scott Book

Die Folgen der globalen Erwärmung sind inzwischen in allen Regionen der Erde mess- und spürbar und stellen ein zunehmend hohes Risiko für den Menschen dar. An den Polkappen schmilzt das Eis, in tropischen Regionen gehen Korallenriffe verloren – und überall müssen die Menschen mit wachsenden Unsicherheiten und veränderten Lebensbedingungen zurechtkommen.

Die Auswirkungen der Erderhitzung sind für Menschen immer dann besonders deutlich, wenn sie extreme Ausmaße annehmen – ob durch Hitze, Dürre, Stürme oder Überflutungen. Beispiele sind die großflächigen Waldbrände in Südeuropa im Jahr 2022, die Flutkatastrophe nach Starkregen in Westdeutschland und Belgien im Juli 2021, die verheerenden Waldbrände in Australien im Jahr 2020 sowie die Hitze am Polarkreis in Sibirien mit bis zu 38 Grad Celsius, ebenfalls im Jahr 2020.

Weltweit sind viele Extremwetterereignisse nicht mehr durch natürliche Schwankungen über die Jahrzehnte oder zufällige Ereignisse wie Vulkanausbrüche und Veränderungen der Sonnenstrahlung zu erklären, sondern durch den menschengemachten Klimawandel. Ob und inwiefern das im jeweiligen Fall so ist, untersucht die sogenannte Attributionsforschung mithilfe von Klimamodellen.  

Mehr Hitze in Deutschland

Als Zeichen und Folge der Klimakrise erhöhten sich auch in Deutschland die Temperaturen stetig und erreichten insbesondere seit dem Jahr 2000 Höchstwerte. Die Dekade von 2011 bis 2020 war hierzulande bereits zwei Grad wärmer als der Referenzzeitraum von 1881 bis 1910. Die mittlere Temperatur ist seit dem Beginn der systematischen flächendeckenden Aufzeichnungen im Jahr 1881 um 1,6 Grad Celsius gestiegen und damit stärker als im globalen Mittel, wo es 1,2 Grad sind. Die Anzahl der Tage mit Maximalwerten von mehr als 30 Grad Celsius hat jüngst ebenfalls zugenommen. Seit den 1950er-Jahren hat sie sich von etwa drei Tagen pro Jahr auf derzeit durchschnittlich neun Tage verdreifacht. 2019 wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen in Deutschland an drei Tagen hintereinander 40 Grad Celsius oder mehr gemessen. Parallel zu dieser Entwicklung hat die Zahl der Eis- und Frosttage abgenommen.

Schmelzendes Eis, tauender Permafrost

Die Erde ist ein Wasserplanet. 71 Prozent der Erdoberfläche sind vom globalen Ozean bedeckt, darüber hinaus finden sich auf einem Teil der Landfläche Gletscher und Eisschilde, die zusammen mit den Permafrostböden die sogenannte Kryosphäre bilden. Beide Sphären haben einen großen Einfluss auf das Klima und verändern sich durch die globale Erwärmung stark. Die Weltmeere absorbieren etwa die Hälfte der Sonnenstrahlung und dämpfen den Temperaturanstieg erheblich. Darüber hinaus nehmen die Ozeane Kohlendioxid auf. Auch die Rolle der Kryosphäre ist relevant: Etwa die Hälfte des in Böden gespeicherten Kohlenstoffs lagert in den Permafrostböden der Arktis, die somit ähnlich wie Moore eine wichtige sogenannte Senke für das Klimagas darstellen.

Prof. Dr. Ricarda Winkelmann über den steigenden Meeresspiegel

Physikerin und Glaziologin

„Wenn wir es nicht schaffen, die globale Klimaerwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, dann werden wir Kippunkte überschreiten, die in den kommenden Jahrhunderten zu einem Anstieg der Meeresspiegel um mehrere Meter führen dürften.“ Foto: PIK / Karkow

Der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und die globale Erwärmung wirken sich seit Jahrzehnten auf die Ozeane, Eisflächen und Permafrostböden aus. Eis und Gletscher weltweit schrumpfen, die Permafrostböden der Arktis beginnen aufzutauen. Im sich erwärmenden Boden haben es Mikroorganismen leichter, pflanzliche und tierische Biomasse zu zersetzen. Dies führt zur Freisetzung der Klimagase Methan und CO2, was den Treibhauseffekt beschleunigt – zumal Methan auf kurzen Zeitskalen etwa 25-mal klimawirksamer als CO2 ist. Die Arktis könnte also vom Speicher zur Quelle von Klimagasen werden.

Seit den späten 1970er-Jahren nimmt der Bereich des saisonalen Meereises der Arktis kontinuierlich ab. Verglichen mit dem Zeitraum 1979 bis 1988 ist die durchschnittliche Fläche des Packeises im Sommer im Zeitraum 2010 bis 2019 um rund 25 Prozent geschrumpft, was etwa zwei Millionen Quadratkilometern entspricht. Wahrscheinlich wird die Arktis spätestens Mitte des Jahrhunderts in der Sommerzeit erstmals nahezu eisfrei sein.

Der Meeresspiegel steigt nicht überall gleichermaßen

Das schmelzende Eis der Polkappen und der Gletscher lässt die Weltmeere steigen, zusätzlich führt die Erwärmung der Ozeane zu einer Ausdehnung des Wasserkörpers. In der Folge hat sich der mittlere globale Meeresspiegel seit 1901 um etwa 20 Zentimeter erhöht. Noch dazu beschleunigt sich der Anstieg: Wie der Weltklimarat IPCC in einem 2019 erschienenen Sonderbericht schreibt, stieg der Meeresspiegel zwischen den Jahren 1901 und 1990 jährlich um durchschnittlich 1,4 Millimeter pro Jahr, im Zeitraum 2006 bis 2015 waren es bereits 3,6 Millimeter jährlich.

Doch der Meeresspiegel steigt nicht überall gleichmäßig wie in einer Badewanne. In einigen Regionen ist der Zuwachs geringer, in anderen stärker als im globalen Mittel. Gründe für regionale Unterschiede sind zum Beispiel sich hebende oder senkende Landmassen sowie Strömungen, die die Ozeane durchziehen und Wasser mit unterschiedlicher Temperatur sowie unterschiedlichem Salzgehalt verteilen. Die Kenntnisse über die Unterschiede sind von erheblicher Bedeutung für die Risiko- und Schadensabschätzungen an den Küsten und auf den Inseln dieser Welt.

Etwa 680 Millionen Menschen leben derzeit in der direkten Umgebung von Küsten oder auf kleinen Inseln, im Jahr 2050 könnte es mehr als eine Milliarde sein. Das Leben beziehungsweise Überleben dort hängt unmittelbar vom Niveau der künftigen Meeresspiegel ab. Darüber hinaus bedrohen steigende Pegel Ökosysteme wie Mangrovenwälder, Seegraswiesen, Wattgebiete, Korallenriffe, Felsenküsten und Sandstrände. Selbst das Hinterland kann betroffen sein, wenn der Anstieg zu einer Versalzung des Grundwassers führt.

Bedrohte Ökosysteme im Meer

Die biologische Vielfalt der Ozeane ist durch marine Hitzewellen gefährdet, bei denen die Temperatur in den Oberflächenschichten über längere Zeit auf einem ungewöhnlich hohen Niveau bleibt. An der Westküste Nordamerikas (2013 bis 2016) und der Ostküste Australiens (2015/16, 2016/17 und 2020) haben solche Wärmephasen plötzliche Veränderungen in der Zusammensetzung der ökologischen Gemeinschaften angetrieben, die wohl über Jahre bestehen bleiben werden. Es kam zu einem messbaren Verlust an biologischer Vielfalt und einem Zusammenbruch lokaler Fischgründe und Aquakulturen. Zudem wurde das Wachstum sogenannter Lebensraum bildender Arten eingeschränkt, die Korallenriffe, Seetangwälder oder Seegraswiesen aufbauen und damit für viele Tiere und Pflanzen wichtig sind.

Insbesondere Korallenriffe sind nicht nur durch zunehmende Wärme sondern auch durch die Versauerung der Ozeane bedroht. Seit der vorindustriellen Zeit ist der pH-Wert des Oberflächenmeerwassers von typischerweise 8,2 auf 8,1 gesunken. Der Unterschied mag zunächst gering erscheinen, jedoch handelt es sich bei der pH-Wert-Skala um eine logarithmische Skala. Ein Anstieg um den Wert 1 bedeutet eine Verzehnfachung des Säuregehalts. Damit ist der Säuregehalt von der vorindustriellen Zeit bis heute um fast 30 Prozent gestiegen. Die Folgen für das fein austarierte und empfindliche Ökosystem sind schwerwiegend: Das Gas reagiert mit dem Meerwasser zu Kohlensäure und wirkt dem Aufbau kalkhaltiger Strukturen entgegen, wie sie bei Korallenstöcken, Muschelschalen, Schneckengehäusen und Zooplankton vorkommen.

Artensterben und Waldverlust

Die Klimakrise beeinträchtigt die Vielfalt der Organismen und hat bereits marine und terrestrische Ökosysteme überall auf der Welt verändert. Das großflächige Absterben von Korallenriffen, die neben den Tropenwäldern zu den Hotspots der Biodiversität zählen, führt zu unvergleichlichen Artenverlusten. Auch anderswo sind Tiere und Pflanzen durch die Verschiebung von Klimazonen und extreme Wetterereignisse bedroht. Wie aus dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC hervorgeht, ist es sehr wahrscheinlich, dass bereits erste Arten infolge des Klimawandels ausgestorben sind.
 

Nachgefragt: Können sich Tiere und Pflanzen an die Erwärmung anpassen?

Langfristig können sich Pflanzen und Tiere an veränderte Umweltbedingungen anpassen. Das Leben auf der Erde hat sich immer verändert. Doch der menschengemachte Klimawandel vollzieht sich in einer beispiellosen Geschwindigkeit innerhalb weniger Jahrzehnte. Einige Arten reagieren bereits auf die Veränderungen, etwa durch Migration, geänderte Wanderungs- und Zugrouten oder vorgezogene Brutzeiten. Wie viele Arten letztlich genau von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden, lässt sich schwer beziffern. Bei einer Erwärmung von zwei Grad Celsius gehen Forschende davon aus, dass rund fünf Prozent der Arten aussterben werden. Die Korallenriffe der Weltmeere würden bei plus zwei Grad sogar zu 98 bis 99 Prozent absterben, bei 1,5 Grad Erwärmung wären es zehn bis 30 Prozent. Hinzu kommt: Tiere und Pflanzen sind durch weitere Faktoren wie Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung und invasive Arten stark bedroht.

 

 

Die Regenwälder der Tropen und die temperierten Wälder der mittleren und nördlichen Breiten binden gemeinsam mit Mooren und Permafrostböden mehr CO2 als sie emittieren. Damit sind sie ein entscheidender Speicher von Treibhausgasen und helfen, die Erderhitzung abzuschwächen. Großflächige Abholzung sowie die Ausbreitung landwirtschaftlicher Nutzflächen und menschlicher Siedlungen bedrohen sie jedoch. Und auch der Klimawandel trägt zum Verlust der Wälder bei. Weltweit sterben Bäume vor allem als Folge von Trockenheit ab. In Deutschland reduzierte sich nach Schätzungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt der Baumbestand von Januar 2018 bis April 2021 um eine Fläche von 500.000 Hektar – was fast fünf Prozent der gesamten Waldfläche entspricht.

In den Wäldern der mittleren und höheren Breiten in Asien, Europa und Nordamerika verändert sich viel: Lebensgemeinschaften werden in höhere und nördlichere Gebiete zurückgedrängt, Blüte und Blattbildung setzen früher ein, Baumkrankheiten breiten sich nach Norden aus und es kommt häufiger zu Befall durch schädliche Insekten. Weltweit sind immer größere Flächen von Wildfeuern betroffen und werden somit zur zusätzlichen CO2-Quelle.
 

Nachgefragt: Ist mehr Kohlendioxid in der Luft gut fürs Pflanzenwachstum?

Ein erhöhter Kohlendioxidgehalt der Luft bewirkt nicht automatisch besseres Wachstum, denn Pflanzen benötigen weitere Nährstoffe und Wasser. Pflanzen nutzen Kohlendioxid (CO₂) der Luft als Nährstoff für die Photosynthese. Aus dem Kohlenstoff bauen sie Biomasse auf. Das Treibhausgas wirkt aber trotzdem nicht wie ein Dünger, der die Erträge von Nutzpflanzen weltweit steigern könnte. Dies zu vermuten würde übersehen, dass Kohlenstoff nicht der einzige Nährstoff für Pflanzen ist. Andere Substanzen wie Phosphor stammen aus dem Boden und nehmen nicht in der Menge zu. Hinzu kommt: Als Folge des CO₂-Anstiegs erhöhen sich die Temperaturen weltweit und die Wahrscheinlichkeiten von extremer Trockenheit über lange Zeit oder von Stürmen und Sturzregen, die abnehmende Erträge nach sich ziehen, nimmt zu. Auch wenn unter kontrollierten Bedingungen in Gewächshäusern tatsächlich Wachstumssteigerungen erzielt werden, spielen diese im Freiland unter den Bedingungen des Klimawandels kaum eine Rolle.

 

Veränderte Bedingungen für die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft und Fischerei ist durch die Klimakrise sowohl direkt als auch indirekt betroffen, was sich auf die Versorgung der Bevölkerung auswirkt. Die Erderwärmung verändert die Niederschlagsmengen und -muster. Es kommt häufiger und länger zu Dürren, Stürme und Überflutungen nehmen zu und werden heftiger, neue Schädlinge und Krankheiten breiten sich aus. All dies beeinträchtigt die Produktion der Lebensmittel ebenso wie ihre Qualität, Preise und Verfügbarkeit.

In Europa sind vor allem der Süden und Westen des Kontinents von der negativen Entwicklung betroffen. In Südeuropa hat die Klimaerwärmung die Erntemengen fast aller wichtigen Kulturpflanzen beeinflusst, was zuletzt zu einer Stagnation der Erträge geführt hat. In Deutschland hatte die anhaltende Trockenheit im Jahr 2018 beträchtliche Ernteeinbußen bei Getreide zur Folge. Bundesweit lagen die Erträge 16 Prozent unter dem dreijährigen Mittelwert der Vorjahre, in einzelnen Bundesländern noch deutlich darunter.

Plötzliche Ernteausfälle als Folge von Extremwetterereignissen machen weltweit die Lebensmittelversorgung unsicher und treffen vor allem kleinere Lebensmittelproduzenten, Haushalte mit geringem Einkommen und die lokale Bevölkerung in klimatisch benachteiligten Regionen. Die eingeschränkte Lebensmittelvielfalt kann vor allem in Ländern des globalen Südens eine Mangelernährung zur Folge haben, unter der vor allem Kinder, Ältere und Schwangere leiden.

Neue Gesundheitsgefahren

Klimawandel kann krank machen – und zwar auf vielfältige Weise. So können Hitzewellen Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschlechtern, die Wirkung von Medikamenten verändern, und sie führen zu Übersterblichkeit. In Deutschland beispielsweise gab es im Jahr 2018, dem Jahr mit dem zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen, schätzungsweise 8.700 hitzebedingte Sterbefälle. Erhöhte Temperaturen begünstigen zudem die Verbreitung von Krankheitserregern, da bestimmte Algen, Bakterien oder krankheitsübertragende Mücken in wärmerer Umgebung besser gedeihen. Extremwetter kann darüber hinaus die medizinische Versorgung oder Trinkwassersysteme stören – und das Immunsystem schwächen.

Wie sich regional neue Gefahren auftun, ist auch in Deutschland zu beobachten, wo das Robert Koch-Institut für das Jahr 2022 mittlerweile 175 Landkreise als Risikogebiete für durch Zecken übertragene FSME-Erkrankung benennt. Im Jahr 2012 waren es noch 140. Inzwischen treten in Deutschland auch Erkrankungen auf, die man bisher nur durch die Reisemedizin kannte, wie die durch Milben oder Läuse übertragene Rickettsiosen oder das über Mücken übertragene West-Nil-Fieber.

In vielen Ländern kann es durch ein Absinken der Wasserqualität und Wasserknappheit infolge von Trockenperioden zur Ausbreitung von Cholera und Durchfallerkrankungen kommen, zudem begünstigen Hitzewellen gefährliche Algenblüten. Durch Ernteausfälle sowie klimatische Veränderungen sind Menschen in einigen Regionen der Welt vermehrt von Unterernährung bedroht oder müssen unter den Folgen des Verzehrs von Lebensmitteln leiden, die zum Beispiel mit Schimmelpilzen kontaminiert sind.

Veröffentlicht: August 2022