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Wie werden weltweite Seuchen gemanagt?

Wie werden weltweite Seuchen gemanagt?

Bild: Adobe Stock / angellodeco

Pandemien erfordern Informationsaustausch und koordiniertes Handeln auf internationaler Ebene. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 1999 rief die WHO jedes Land auf, nationale Pandemiepläne zu entwickeln. In Deutschland hat das Robert Koch-Institut (RKI) einen solchen Notfallplan entwickelt. Um eine Pandemie eindämmen zu können, ist die Expertise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Forschungsdisziplinen gefragt. Nur interdisziplinär können die Herausforderungen bewältigt werden.

Wann wird eine Pandemie ausgerufen?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entscheidet, ob ein Krankheitsgeschehen eine Pandemie ist. Sie beobachtet das Krankheits- und Infektionsgeschehen weltweit. Jeder Staat muss die WHO außerdem über entsprechende Krankheitsausbrüche informieren. Grundlage sind die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), die für alle Staaten völkerrechtlich bindend sind. Diese Vorschriften enthalten ein Bewertungsschema, mit dem ein Krankheitsausbruch in einem Land eingeordnet werden kann. Ergibt die Bewertung, dass sich das Krankheitsgeschehen international ausbreiten könnte, muss das Land dies der WHO innerhalb von 24 Stunden melden.

Fallzahl und Todesopfer ausgewählter Virusausbrüche weltweit bis 2020. *Stand 9. Oktober 2020. Quellen: CDC; United Nations; WHO; NEJM; Lancet; Johns Hopkins University; Thomson Reuters | Statista 2020

Nach einer Meldung beruft die WHO einen Notfallausschuss ein. Dieser entscheidet über Maßnahmen, um die Krankheit einzugrenzen und eine Ausbreitung zu verhindern. Gelingt dies nicht und die Krankheit breitet sich über Länder und Kontinente aus, stuft der Ausschuss das Geschehen als Pandemie ein und ruft eine „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ aus.

Angesichts von tausenden Infektionsereignissen, die seit dem Inkrafttreten der Internationalen Gesundheitsvorschriften im Jahr 2005 an die WHO gemeldet wurden, kam es bisher selten zur Einberufung eines Notfallausschusses. Nur sechs Mal wurde mit Stand 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen. Diese sechs Fälle waren: Influenza A-Virus im Jahr 2009, humanes Poliovirus 2014, Ebolavirus 2014 und 2019, Zikavirus 2016 und SARS-CoV-2 2020.

Fallsterblichkeitsrate ausgewählter Virusausbrüche weltweit bis 2020. *Stand 9. Oktober 2020. Quellen: CDC; United Nations; WHO; NEJM; Lancet; Johns Hopkins University; Thomson Reuters | Statista 2020

Aufgaben nationaler Institutionen – informieren und koordinieren

Jedes Land hat eine Kontaktstelle für die WHO, eine nationale IGV-Anlaufstelle. In Deutschland ist dies das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ). Das GMLZ liegt im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI). Die Maßnahmen und Meldungen im Land koordiniert das Robert Koch-Institut (RKI). Die Kernaufgaben des RKI sind, übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, ein Infektionsgeschehen frühzeitig zu erkennen und die Weiterverbreitung zu verhindern. Das Institut berät das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), informiert die Öffentlichkeit und führt die Daten der örtlichen Gesundheitsämter zusammen.

Wurde eine Pandemie ausgerufen, ist das Infektionsschutzgesetz die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen. Es wird beispielweise bei ansteckenden Krankheiten wie Masern, Cholera, Ebola oder COVID-19 angewandt. Um die Ausbreitung eines Virus zu verhindern, erlaubt das Gesetz den Bundesländern verschiedene Grundrechte einzuschränken. Die Einschränkungen müssen jedoch verhältnismäßig sein. So können Grundrechte wie beispielsweise Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit oder Persönlichkeitsrechte eingeschränkt werden.

Prof. Dr. Alfons Labisch über Persönlichkeitsrechte in Pandemie-Zeiten

Medizinhistoriker

„Den Streit wird es immer geben.“

Aufgaben der Forschung: Therapien entwickeln, Menschen schützen

Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) ist das bundeseigene Forschungsinstitut für Tiergesundheit. Es hat seinen Hauptsitz auf der Insel Riems. Das FLI hat unter anderem den Auftrag, Menschen vor Zoonosen zu schützen. In Hochsicherheitslaboren forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Zoonoseerregern. So wurde beispielsweise die Infizierbarkeit verschiedener Tierarten für das neuartige Virus SARS-CoV-2 getestet. Dies gibt Informationen darüber, ob Nutztiere wie Schweine, Hühner oder Rinder eine Rolle bei der Verbreitung des Virus spielen könnten oder ob sich bestimmte Tierarten als Tiermodelle eignen. An den Tiermodellen werden Krankheitsverläufe untersucht und Wirkstoffe für Impfungen und Medikamente getestet. Außerdem wollen Forscherinnen und Forscher verstehen, über welche Wege Erreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden.

Prof. Dr. Thomas Mettenleiter über seine Forschung an Frettchen

Leiter des FLI

„Wir erforschen und testen Impfstoffe, mögliche Therapeutika und Grundlagen zwischen Erreger und Wirt.“

Eine weitere wichtige Forschungseinrichtung ist das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg. Es ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung zu tropentypischen Erkrankungen und neuen Infektionskrankheiten. Ein Schwerpunkt des Instituts ist die Erforschung von Malaria sowie die Übertragung von Viren durch Stechmücken.

Um Zoonosen und Übertragungswege der Erreger weiter aufklären zu können, müssen Human- und Tiermedizin eng zusammenarbeiten und ihr spezifisches Wissen austauschen. Dafür gibt es in Deutschland die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen. In diesem Informations- und Servicenetzwerk treffen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Zoonosenforschung. Sie tauschen sich aus zu Aspekten wie Charakterisierung von Erregern, Entwicklung von Infektionsmodellen, Diagnostik und Prävention von Zoonosen, Impfstoffentwicklung und Frühwarnsysteme.