Dr. Julia Engelschalt (Jahrgang 1986) untersucht in ihrer Dissertation, wie medizinische Diskurse und Praktiken zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem imperialen Denken und Handeln in den Vereinigten Staaten verwoben waren. Ausgangspunkt ihrer Analyse ist das Konzept der Tropikalität (engl. tropicality), das die Verfremdung bestimmter Regionen als klimatisch, ethnisch, kulturell und medizinisch „andersartig“ im Gegensatz zu den gemäßigten, als „normal“ verstandenen Klimazonen der Nordhalbkugel beschreibt. 1898 erlangten die USA nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg neue Überseekolonien, beispielsweise in Kuba, Puerto Rico und auf den Philippinen. Im ersten Teil ihrer Arbeit analysiert Engelschalt, wie das Konzept der Tropikalität die Sicht auf die Kolonien bestimmte und auch die Erforschung und Behandlung der dortigen Krankheiten prägte. Public-Health-Maßnahmen dienten dabei nicht nur der Krankenversorgung, sondern auch der Etablierung des US-Imperialismus. Der zweite Teil der Dissertation beschreibt, wie das in den Kolonien erworbene Wissen über den vermeintlichen Zusammenhang von Klima, Gesundheit und „Rasse“ zurück in die USA transferiert wurde, insbesondere in die Südstaaten. Engelschalt zeigt, wie die Südstaaten im Zuge öffentlicher und privater Gesundheitskampagnen zunehmend als klimatisch und gesundheitlich „andersartig“ dargestellt wurden – mit weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Folgen. Damit macht Engelschalt deutlich, dass die Tropikalisierung nicht nur in den US-amerikanischen Kolonialgebieten, sondern auch im Inneren des Landes stattfand und dass Diskurse, die ursprünglich zur Beherrschung „fremder“ Kolonien dienten, auch den Umgang der USA mit ihren eigenen Regionen und Bevölkerungsgruppen prägten.
Julia Engelschalt promovierte im Fach Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Während ihrer Promotion absolvierte sie Archiv- und Forschungsaufenthalte auf den Philippinen und in den USA, unter anderem an der Ateneo de Manila University in Quezon City/Philippinen, am German Historical Institute in Washington, D.C./USA, der Columbia University in New York/USA und der Tulane University in New Orleans/USA. Außerdem hielt sie an vielen Universitäten und Einrichtungen Gastvorlesungen und Vorträge, u. a. an der Universität Zürich/Schweiz und der University of London/UK. Sie wurde mit dem Dissertationspreis 2023 der Bielefelder Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Seit April 2023 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Technischen Universität Darmstadt und erhielt dort 2025 den Athene-Preis für Gute Lehre des Fachbereichs Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften. Zudem ist sie als Gutachterin für mehrere wissenschaftliche Publikationsreihen tätig.
Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte
Mit dem Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte, der den Namen des Wissenschaftshistorikers Georg Uschmann (1913–1986) trägt, zeichnet die Leopoldina alle zwei Jahre eine hervorragende wissenschaftshistorische Dissertation aus. Gestiftet wurde der Preis im Jahr 1997 von Ilse und Eugen Seibold. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert.