Welche Probleme werden im Globalen Süden verursacht, wenn Soja, Kaffee, Schokolade oder Holz in die Europäische Union (EU) importiert werden?
Katrin Böhning-Gaese: Das hängt vom Importprodukt ab. Sehr kritisch ist zum Beispiel Soja, das vor allem für die Tierfutterproduktion verwendet wird. Da Deutschland einen sehr hohen Fleischkonsum hat und für diese Tiere nicht genug Futtermittel anbaut, muss es viel Soja importieren. Für den Anbau wird in Brasilien Regenwald gerodet und werden Savannen umgepflügt. Dadurch geht Biodiversität verloren, aus Vegetation und Böden wird Kohlendioxid freigesetzt. Zudem profitiert die lokale Bevölkerung kaum, denn der Sojaanbau liegt in den Händen von Agrarkonzernen. Bei Palmöl, das aus Südostasien importiert wird, profitieren dagegen auch kleinbäuerliche Betriebe. Nichtsdestotrotz wurde und wird auch dafür Regenwald gerodet.
Welche Bedingungen braucht es im globalen Agrarhandel, um solche Auswirkungen zu mindern?
Harald Grethe: Dafür gibt es keine einfachen Lösungen, denn die wichtigen Funktionen des Agrarhandels sollen erhalten bleiben. Deswegen muss man an vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen: Wir müssen in der EU nachhaltiger konsumieren, denn der Flächenanspruch unserer Ernährungsweise ist viel zu hoch. In unseren Agrarsystemen müssen wir nachhaltiger produzieren, um Klimaschutz, Biodiversität und eine hohe Produktivität der Flächen miteinander zu vereinbaren. Für den Handel sollten wir beispielsweise Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen wie dem EU-Mercosur-Abkommen ausformulieren und Lieferkettengesetze implementieren, um Unternehmen zur Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards zu verpflichten.
Für Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit braucht es Flächen, doch diese sind endlich. Wie lässt sich dieser Zielkonflikt lösen?
Grethe: Wir müssen Flächen effizient nutzen und nachhaltiger konsumieren: Im Globalen Norden weniger tierische Produkte konsumieren, Lebensmittelabfälle verringern und Biomasse in der Bioökonomie intelligenter einsetzen. Dadurch nehmen wir Druck von der Fläche. Dies bedeutet beispielsweise, Biomasse weniger zu verbrennen und stärker in der Produktion von Materialien einzusetzen, in denen Kohlenstoff langfristiger gebunden wird.
Ein entscheidender Faktor ist die Veränderung des Konsumverhaltens. Wie kann Konsum nachhaltiger werden?
Böhning-Gaese: Wir sollten den Fleischverbrauch reduzieren, also idealerweise nur einmal die Woche Fleisch essen. Und wenn Fleisch, dann bevorzugt Rind oder Schaf, weil sie im Idealfall auf der Weide stehen und Gras fressen. Damit werden gleichzeitig Wiesen mit hoher Artenvielfalt gefördert, die in Deutschland ein sehr bedrohter Biotoptyp sind.
Wie sollte die Forschung die Transformation begleiten?
Böhning-Gaese: Wir brauchen bessere integrative Modelle, um die Veränderungen in Konsum, Landnutzung, Klima und Biodiversität abzubilden. Nur so können wir zu verlässlichen Aussagen kommen.
Grethe: Wir müssen mehr dazu forschen, welche sozialen, politischen und institutionellen Innovationen notwendig sind, damit Ziele des Gemeinwohls in politischen Entscheidungen stärker berücksichtigt werden. Und wir müssen Forschungsergebnisse so kommunizieren, dass sie im gesellschaftlichen und politischen Raum aufgenommen werden.
Das Gespräch führte Benjamin Haerdle.