Das Grundgesetz unterscheidet zwischen schlichten Meinungen, die ein subjektives Werturteil beinhalten und in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind, und einer wissenschaftlichen Aussage, die durch den ernsthaften planmäßigen Versuch zur Ermittlung der Wahrheit gekennzeichnet ist, der durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt wird. Da aber auch wissenschaftliche Aussagen wertende Elemente beinhalten (können), ist die Unterscheidung nicht so trivial wie es auf den ersten Blick scheint. Trotzdem sprechen gute Gründe dafür, an ihr festhalten. Wer sich bewusst als Wissenschaftler in einen bestimmten Diskurszusammenhang begibt, sollte zumindest ein spezifisches Set an Argumentationsregeln akzeptieren. Andernfalls verliert die Wissenschaft mittelfristig ihren Selbststand, was mit nachteiligen Folgen für die Gesellschaft verbunden wäre.
Andreas Voßkuhle, 1963 in Detmold geboren, studierte Rechtswissenschaft in Bayreuth und München, promovierte 1992 in München und habilitierte sich 1998 in Augsburg. Seit 1999 ist er Professor für Öffentliches Recht an der Universität Freiburg. Von 2008 bis 2020 gehörte er dem Bundesverfassungsgericht an, ab 2010 als dessen Präsident. Er ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.