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Press Release | Saturday, 29 October 2011

Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zu den Darstellungen in der FAZ zum Thema Open Access

Viele Wissenschaftler machen ihre Publikationen schon heute der Öffentlichkeit kostenfrei zugänglich. Diese Praxis wird als Open Access bezeichnet. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat am 26. Oktober 2011 einen Namensbeitrag des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Günter Krings, veröffentlicht, der zum einen nicht die von den meisten Wissenschaftlern geteilte Position zu Open Access widerspiegelt und zum anderen ein schiefes Licht auf die Debatte wirft.

Das Thema Open Access ist für die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ein zentrales Anliegen. Open Access ermöglicht nicht nur eine rasche Diskussion aktueller Forschungsergebnisse, sondern unterstützt die Interdisziplinarität der Wissenschaft sowie die internationale Zusammenarbeit. Open Access erleichtert auch den Transfer der Ergebnisse in Wirtschaft und Gesellschaft und fördert die Sichtbarkeit der Forschung.

Die Einlassungen des MdB Günter Krings lassen diese Vorteile völlig außer Acht und rücken Verlagsinteressen in den Mittelpunkt. Doch dabei sollte berücksichtigt werden, dass die wesentlichen Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erbracht werden. Diese leisten die der Publikation zugrunde liegenden Forschungsarbeiten und verfassen die Artikel. In den meisten Fällen erhalten sie für ihre wissenschaftlichen Publikationen von den Verlagen kein Honorar. Von den Autorinnen und Autoren wird außerdem oft verlangt, druckreife Manuskripte abzuliefern und die Nutzungsrechte an ihrem Werk dem Verlag exklusiv und vollständig zu übertragen. Auch die Qualitätskontrolle, das „Peer Review“, wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – in der Regel wieder ohne Honorierung durch die Verlage – erbracht. Die Leistungen der Verlage erschöpfen sich also in der Organisation des Peer-Review-Prozesses, der Redaktion, dem Druck bzw. der Online-Bereitstellung, dem Vertrieb und der Werbung. Diese Leistungen müssen selbstverständlich vergütet werden – aber angemessen.

Forscherinnen und Forscher erhalten ihre Mittel zum weitaus überwiegenden Teil von der öffentlichen Hand. Die Steuerzahler finanzieren also die Wissenschaft und deren Ergebnisse. Bibliotheken und Forschungseinrichtungen bis hin zu einzelnen Wissenschaftlern schließen teure Abonnements ab oder bezahlen Zugänge zu Datenbanken, um diese Ergebnisse bereitzustellen. So bezahlt die öffentliche Hand ein zweites Mal. Die zum Teil exorbitant steigenden Kosten für die Zeitschriftenabonnements können von vielen Bibliotheken nicht mehr in der nötigen Breite aufgebracht werden, so dass die Bibliotheken ihrer Pflicht als Informationsversorger schon lange nicht mehr ausreichend nachkommen können. Die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung werden so zwar veröffentlicht, bleiben aber für viele Fachkollegen und Studierende unzugänglich oder können nur eingeschränkt nachgenutzt werden, da hierzu erforderliche Verwertungsrechte ausschließlich bei den Verlagen sind. Diese Situation ist im derzeitigen System des wissenschaftlichen Publizierens leider kein Einzelfall, sondern eher die Regel.

So geht der Vorwurf, den Dr. Krings in der FAZ gegen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erhebt, sie enteigne die Angehörigen des Mittelbaus zugunsten der Lehrstuhlinhaber, denen sie ihre Ergebnisse unentgeltlich zur Verfügung stellen wolle, an den Tatsachen vorbei. Er steht in einer Reihe von überwiegend haltlosen Vorwürfen gegen die DFG in der FAZ (zuletzt am 19.10.2011), die die Allianz der Wissenschaftsorganisationen mit allem Nachdruck zurückweist.

Heute ist der zeitnahe Zugriff auf Forschungsergebnisse auf eine begrenzte Zahl gut ausgestatteter Bibliotheken an Universitäten oder Forschungseinrichtungen beschränkt, so dass der problemlose Zugriff auf Forschungsergebnisse und damit die Forschung selbst zunehmend behindert werden. Mit Open Access dagegen würden Wissenschaft und Öffentlichkeit jederzeit und überall ungehindert Zugang zu den Ergebnissen öffentlich geförderter Forschung haben. Die von der Allianz vorgeschlagenen und auch bereits praktizierten Open-Access-Modelle erlauben es den Verlagen zum Teil auch weiterhin Geld zu verdienen. Das heißt, die Steuerzahler bezahlen immer noch, erhalten dafür aber – manchmal mit einer zeitlichen Verzögerung – immerhin Einsicht in sämtliche Forschungsergebnisse. Ein Modell mit sechsmonatiger Verzögerung bietet zum Beispiel die international renommierte Zeitschriftengruppe „Nature“ bereits seit mehreren Jahren an, da dem Verlag selbst daran gelegen ist, dass möglichst viele Menschen Zugang zu den dort veröffentlichten Studien haben.

Von Open Access profitieren alle Studierenden und alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, weil sie sich via Open Access über die erarbeiteten Forschungsergebnisse informieren können und auf dieser Grundlage zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen kann. Und nicht zuletzt würden kleine und mittelständische forschungsintensive Unternehmen, die sich derzeit den Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen immer weniger leisten können, direkt von Open Access profitieren.

Der Allianz der Wissenschaftsorganisationen geht es darum, die bestehenden Hindernisse zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Forschung und Lehre abzubauen und Open Access zu ermöglichen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind gegenüber den Verlagen und deren Quasi-Monopolstellung in einer stark benachteiligten Situation. Das unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht würde die Position wissenschaftlicher Autoren stärken. Damit ist kein Zwang verbunden: Unabdingbares Recht bedeutet, dass Autorinnen und Autoren nicht verpflichtet werden können, ihr Recht exklusiv an Verlage abzutreten. Ob sie es etwa für eine Zweitpublikation mit Open Access selbst wahrnehmen, bleibt ihnen überlassen. Der Wille der Wissenschaft zur Öffentlichkeit und die damit verbundene Demokratisierung des Zugangs zum Wissen verdienen breite gesellschaftliche Unterstützung. Einseitige Polemiken dienen der Sache nicht.

Zur Allianz der Wissenschaftsorganisationen gehören folgende Organisationen:
die Alexander von Humboldt-Stiftung,
die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina,
der Deutsche Akademische Austauschdienst,
die Deutsche Forschungsgemeinschaft,
die Fraunhofer-Gesellschaft,
die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren,
die Hochschulrektorenkonferenz,
die Leibniz-Gemeinschaft,
die Max-Planck-Gesellschaft und
der Wissenschaftsrat.

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Leopoldina

Julia Klabuhn

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