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Press Release | Thursday, 23 May 2002

Presseinformation 8/2002

Öffentliche naturwissenschaftliche Vorträge: "Der Anti-Haftmechanismus (Lotus-Effekt) der Blätter der Lotus-Blume – Vorbild für revolutionäre schmutzabweisende Fassadenanstriche", "Ultraschalluntersuchung bei Neugeborenen – Strategien zu Diagnose und Therapie angeborener Hüftgelenkserkrankungen"

Termin:        Dienstag, 28. Mai 2002, 16.30 Uhr
Ort:              Vortragsgebäude der Akademie Leopoldina
                     Emil-Abderhalden-Straße 36, 06108 Halle (Saale)

  • Zu den Vorträgen:

Prof. Dr. Wilhelm Barthlott, Bonn, Mitglied der Akademie: "Mikro- und Nanostruktur pflanzlicher Grenzflächen: Vielfalt, Entstehung, Funktion und technische Umsetzung"

Die Oberflächen der Blätter der Lotus- Blume sind nicht nur extrem unbenetzbar mit Wasser, sondern an ihnen können sich auch keine Schmutzpartikel festhaften – sei es Staub, Pilzsporen oder Diesel-Ruß. Die Entdeckung dieses Anti-Haftmechanismus (Lotus-Effekt) geht auf Wilhelm Barthlott in den 90 er Jahren zurück. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass unter bestimmten Gegebenheiten besonders rauhe Oberflächen sauberer bleiben als glatte. Für die sich aus dem Lotus-Effekt vor allem für die industrielle Anwendung ergebenden vielfältigen Möglichkeiten wurde Wilhelm Barthlott vielfach ausgezeichnet. Die Tatsache, dass dauerhaft schmutzfreie Oberflächen faszinierende Perspektiven ermöglichen (Reinigungswasserersparnis wirkt sich beispielsweise positiv auf den Umweltschutz aus), wirft die Frage auf, wie der Lotus-Effekt technisch anwendbar ist. Die Perspektiven reichen von selbstreinigenden Autolacken, Fassadenfarben oder Dachziegeln bis zu vielen anderen Produkten. Voraussetzung für diese Erfolgsgeschichte der Bionik war die Entdeckung und Aufklärung des Prinzips einer wasserabweisenden rauhen Mikrostruktur. Hierüber wird Wilhelm Barthlott in seinem Vortrag berichten.

Prof. Dr. Reinhard Graf, Stolzalpe (Österreich), Mitglied der Akademie: "Fortschritte in Diagnose und Therapie der sogenannten angeborenen Hüftluxation durch die Sonographie"

Die angeborene Hüftluxation ist die häufigste angeborene Erkrankung am Stütz- und Bewegungsorgan des Menschen. Wird sie nicht im Frühstadium entdeckt, ist mit oft lebenslangen Schäden und enormen Kosten für die Allgemeinheit zu rechnen. Allein zehn Prozent der heute eingesetzten künstlichen Hüftgelenke gehen auf ehemalige Hüftreifungsstörungen zurück. Reinhard Graf gehört zu den Pionieren der Ultraschalluntersuchungen von Neugeborenen. Mit dieser Untersuchungstechnik steht bereits nach der Geburt eine völlig gefahrlose Untersuchungstechnik zur Verfügung, mit deren Hilfe der anatomische Status des Hüftgelenkes festgelegt und gegebenenfalls eine Behandlung eingeleitet werden kann. Durch die Nutzung des Wachstumspotenziales des Hüftgelenkes durch die Frühdiagnostik kann in den meisten Fällen auf eine Operation verzichtet werden. In Österreich, Deutschland und in der Schweiz wurde daher seit einiger Zeit eine generelle Ultraschalluntersuchung aller Neugeborenen eingeführt. Die Operationszahlen, die Dauer von Klinikaufenthalten aber auch die Gesamtbehandlungskosten konnten dadurch wesentlich verringert werden. Kindern bleibt durch die frühzeitige Untersuchung des Hüftgelenkes ein lebenslanges Martyrium erspart.

  • Zu den Referenten:

 Wilhelm Barthlott hat in Heidelberg Biologie studiert, absolvierte Forschungsaufenthalte in Südamerika, Nordamerika, Großbritannien und Nordafrika, wurde 1982 C3-Professor für systematische Botanik und Pflanzengeographie an der Freien Universität Berlin und ist seit 1985 C4-Professor und Direktor am Botanischen Institut und des Botanischen Gartens der Universität Bonn. Seine Forschungsgebiete sind die Erforschung pflanzlicher Oberflächen. Er hat als erster erkannt, dass der Feinbau pflanzlicher Oberflächen zur systematischen Einordnung von Pflanzen dienen kann. Die Beschaffenheit pflanzlicher Oberflächen hat ihn dazu stimuliert, künstliche Oberflächen zu entwickeln, die heute bei der Herstellung von Fassadenbeschichtungen, Autolacken usw. ihre Anwendung finden (Lotus-Effekt). Für diese Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, so den Karl Heinz Beckurts- Preis für wissenschaftlich innovative Grundlagenforschung (1997), und 2001 die Treviranus-Medaille, die höchste Auszeichnung des Verbandes Deutscher Biologen, sowie den GlobArt Award für innovative, grenzübergreifende Leistungen. Er ist Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gremien und Akademien. Seit 1999 ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Sektion Organismische Biologie).

Reinhard Graf wurde in Graz zum Dr. med. promoviert, absolvierte 1981 Auslandsaufenthalte an der Charité Berlin, in Halle (Saale), in Dortmund und Bochum. Es folgten Forschungsaufenthalte in England, USA und Kanada (1983), in denen er sich seinem wissenschaftlichen Schwerpunkt der Kinderorthopädie und Hüftchirurgie widmete, bevor er 1988 zum Chefarzt der orthopädischen Abteilung und ärztlichen Direktor am allgemeinen und orthopädischen Landeskrankenhaus Stolzalpe bestellt wurde. Er erhielt zahlreiche Ehrungen, so den Österreichischen Ärztepreis (1980). Er ist Träger der Pauwels Gedächtnis Medaille der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (1996) und der Meinhard von Pfaundler Medaille der Deutschen Kinderärzte (1999) und ist Mitglied bzw. Ehrenmitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften. Er ist Inhaber mehrerer Patente zur technischen Verbesserung im Zusammenhang mit dem Hüftultraschall, ein Gebiet, auf dem er in seiner Klinik jährlich zahlreiche Ärzte aus aller Welt fortbildet. Seit 2000 ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Sektion Chirurgie, Orthopädie, Anästhesiologie).

  • Zur Akademie Leopoldina:

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle/Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie ist die älteste naturwissenschaftliche Akademie in Deutschland. Sie trägt durch die Jahresversammlungen, fachspezifische Meetings und Symposien, monatliche Vortragssitzungen und die vielfältigen persönlichen Kontakte der Mitglieder "zum Wohle des Menschen und der Natur" bei. Ihr gehören 1 000 Mitglieder in aller Welt an. Drei Viertel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Viertel aus weiteren ca. 30 Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben.

Die Leopoldina wird von einem ehrenamtlichen Präsidium geleitet. Präsident der Leopoldina ist seit 1990 der Biologe Prof. Dr. Benno Parthier (Halle/Saale). Vizepräsidenten sind derzeit der Psychologe Prof. Dr. Paul B. Baltes (Berlin), der Chemiker Prof. Dr. Gunter S. Fischer (Halle/Saale), der Virologe Prof. Dr. Volker ter Meulen (Würzburg) und der Chemiker Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker (München). Letzterer ist zugleich Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn. Die laufenden Geschäfte der Leopoldina führt eine Generalsekretärin, die Neurobiologin Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug. Die Leopoldina erhält ihre finanziellen Zuwendungen für die satzungsgemäßen Aufgaben zu 80 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu 20 Prozent vom Land Sachsen-Anhalt.

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