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Press Release | Wednesday, 25 July 2018

Stellungnahme von neun Partnern der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zur Qualitätssicherung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen

Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand beruhen zu einem großen Teil auf den Ergebnissen von Forschung und Wissenschaft und dem Vertrauen, das von der Gesellschaft in sie gesetzt werden. Die Einhaltung der hohen Standards der Qualitätssicherung als Element der guten wissenschaftlichen Praxis ist eine unverzichtbare
Voraussetzung, um dieses Vertrauen aufrechtzuerhalten.

Wissenschaft fußt international darauf, dass ihr höchste Qualitätsstandards zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Veröffentlichung der Ergebnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in renommierten Fachzeitschriften. Vor allem aufwendige Peer-Review-Verfahren durch ausgewiesene Experten stellen sicher, dass die publizierten Beiträge diese Standards erfüllen. Dies ist ein weltweit etablierter und unwidersprochener Grundsatz der Wissenschafts-Community.

Leider gibt es auch im Bereich der Wissenschaft einige unseriöse Akteure, die täuschen und geltende Standards umgehen, um ihren Gewinn zu maximieren. Mit betrügerischen Methoden tragen sie dazu bei, das Vertrauen in die Wissenschaft zu schädigen. Ein aktuelles Beispiel, dass derzeit unter dem Begriff „Predatory Publishing“ diskutiert wird, ist die Publikation von Forschungsergebnissen ohne Einhaltung der etablierten Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Hierbei täuschen Verlage neutrale Begutachtungsverfahren vor der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln und Ergebnissen nur vor, veröffentlichen also zum Beispiel eingereichte Beiträge ohne wissenschaftliche Prüfung und sparen sich so Kosten, die durch die geltenden qualitätssichernden Maßnahmen entstehen. Dieses Geschäftsgebaren untergräbt die Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Publikationen und ist ein Betrug an Wissenschaft und Gesellschaft. Die neun Mitglieder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen treten solchen unlauteren Praktiken entschlossen entgegen und verurteilt diese. Dabei ist es entscheidend, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über diese unseriösen Geschäftsmodelle weiter aufzuklären und gleichzeitig die Gesellschaft über diese Praktiken zu informieren.

Die Publikation von Forschungsergebnissen ist zu einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor geworden. Allein mit der Veröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln werden weltweit jährlich 8 Mrd. Euro umgesetzt. Nicht alle Marktteilnehmer fühlen sich der wissenschaftlichen Redlichkeit verpflichtet. Bei Predatory Publishing (Publikation bei „Raub-Verlagen“) finden Qualitätssicherung (Peer Review-Prozess durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etc.) und redaktionelle Bearbeitung der Artikel häufig nicht oder nicht entsprechend den geltenden Standards der guten wissenschaftlichen Praxis statt. Insgesamt nimmt die Zahl solcher Predatory Journals zwar zu, ihr Anteil an allen wissenschaftlichen Zeitschriften ist aber verhältnismäßig gering. Zu den Praktiken solcher Predatory Publishers und vergleichbarer Konferenzanbieter zählen u.a.:

  • Nachahmung der Titel und des Layouts renommierter Zeitschriften,
  • Erhebung von Artikelbearbeitungsgebühren (Article Processing Charges), obwohl so gut wie kein Peer-Review-Verfahren angewendet wird, was im Gegensatz zu renommierten Gold Open-Access-Journals steht,
  • Fälschung von Informationen der Editorial-Board-Mitglieder (Scheinpartizipation namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler),
  • Werbung mit falschen Wissenschaftsindikatoren und Falschaussagen zu Indexie-rungsangaben in namhaften Datenbanken,
  • Werbung der Veranstalter mit scheinbar renommierten Konferenzbänden und hohen Besucherzahlen.

Es gibt bei zahlreichen dieser nichtwissenschaftlichen Akteure, die oftmals von wirtschaftlichen, politischen oder persönlichen Interessen getrieben sind, ein großes Bestreben äußerlich im Stile der Wissenschaft aufzutreten. Hierbei handelt es sich um kommerzielle Publikations-, Konferenz-, "Studien"-Durchführungs-, Think-Tank- und Marketing-Anbieter.

Dennoch: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen häufig unter einem hohen Publikationsdruck. Dieser kann sie dazu verleiten in Zeitschriften zu veröffentlichen, die die wissenschaftliche Qualität der Beiträge nur unzureichend sichern oder ihre betrügerischen Absichten verschleiern. Oft liegen diese Entscheidungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in mangelnder Information oder Unerfahrenheit begründet. Ein Bewusstsein für derartige unlautere Praktiken und ihre Konsequenzen zu schaffen, ist daher ein zentrales Anliegen aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie der Wissenschaftsorganisationen.

Zur Wissenschaftsfreiheit gehört, dass Forschende selbst entscheiden können, wie und wo sie ihre Ergebnisse veröffentlichen. Anlässlich aktueller Phänomene wie dem Predatory Publishing erwarten die neun Wissenschaftsorganisationen von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die von ihnen gewählten Publikationsorte sorgsam auszuwählen und diese im Falle unbekannter oder neuer Publikationsorgane eingehend zu prüfen.

Dabei muss jedoch auch klar festgehalten werden: Die wissenschaftliche Qualität eines Beitrags hängt nicht von dem Journal ab, in dem dieser publiziert wird, sondern kann immer nur auf Ebene der einzelnen Publikation bewertet werden. Ein Artikel ist nicht automatisch unwissenschaftlich, falsch oder „fake science“, wenn er in einem Predatory Journal erschienen ist.

Die gegenwärtig durch Medienrecherchen aufgezeigten Fälle machen deutlich, dass dieses Problem in den vergangenen Jahren an Umfang zugenommen hat. Jeder einzelne Fall ist aus Sicht der neun Mitglieder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen jedoch einer zu viel. Dennoch betrifft diese Problematik glücklicherweise noch immer nur einen äußerst geringen Anteil aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Um gegen Phänomene wie das Predatory Publishing vorzugehen, kommt es in erster Linie darauf an, qualitativ hochwertige und seriöse Praktiken zu stärken und die Kriterien der Abgrenzung zu unseriösen Praktiken zu verschärfen. Ein solch wissenschaftsgeleitetes Verfahren muss selbstreinigend dafür sorgen, dass das wissenschaftliche Publikationssystem weiterhin höchsten inhaltlichen Qualitätsansprüchen genügt. Eine wichtige Aufgabe übernimmt hierfür zum Beispiel das „Directory of Open Access Journals (DOAJ)“, das wissenschaftliche Fachzeitschriften mit Qualitätskontrolle listet. Weiterhin sind interne Maßnahmen in den einzelnen Wissenschaftsorganisationen, wie Schulungen, Publikationssupport und eigens bestellter Ombudspersonen, etabliert worden.

Die Gesellschaft erwartet von der Wissenschaft zu Recht nicht nur die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, sondern auch ein hohes Maß an Integrität und Redlichkeit. Auch aus diesem Grund haben sich die neun Mitglieder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen der guten wissenschaftlichen Praxis verpflichtet. Die Qualitätssicherung von wissenschaftlichen Prozessen ist ein zentrales Element guter wissenschaftlicher Praxis und ein Kernanliegen aller Wissenschaftsorganisationen.

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