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Press Release | Thursday, 23 November 2023

Geschichtliche Quellen unter dem Mikroskop: Leopoldina ehrt Josephine Musil-Gutsch mit dem Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina würdigt die Wissenschaftshistorikerin Josephine Musil-Gutsch für ihre Dissertation „Vergangenheit unter dem Mikroskop. Kooperative Forschungspraxis von Natur- und Geisteswissenschaften, 1880 - 1930" mit dem diesjährigen Georg-Uschmann-Preis. Die Arbeit eröffnet neue Perspektiven auf die Zusammenarbeit von Geistes- und Naturwissenschaften in der Zeit um 1900. Die Auszeichnung wird am Dienstag, 9. Juli 2024 in Halle (Saale) überreicht.

Dr. Josephine Musil-Gutsch (Jahrgang 1992) untersuchte in ihrer Dissertation, wie Natur- und Geisteswissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammenarbeiteten, mit dem Ziel, materielle Quellen mit naturwissenschaftlichen Methoden zu erforschen. Gemeinsam untersuchten die Wissenschaftler kulturhistorische Objekte aus Papier, Leim, Farbpigmenten, Wachs, Glas und Stein, um diese zu datieren oder ihre Herkunft zu bestimmen. Musil-Gutsch analysierte die Forschungspraxis, Forschungsdynamik und den Wissensaustausch innerhalb dieser interdisziplinären Kooperationen anhand von Korrespondenzen, Publikationen und materiellen Quellen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in der Zeit von 1880 bis 1930. Damals begannen Disziplinen wie die Orientalistik oder die Paläographie zunehmend die Materialität historischer Quellen zu untersuchen. Wenn sie ihre Quellen mit herkömmlichen Methoden nicht datieren konnten, wandten sich etwa Historiker an Chemiker. Die Aussagen, die anhand der chemischen Analysen des Materials über das Alter und die Herkunft der historischen Quellen getroffen werden konnten, ließen die Geisteswissenschaftler in ihre Interpretation einfließen. In dieser Zeit entwickelten sich aber auch naturwissenschaftliche Methoden, die sich für die Untersuchung kulturhistorischer Objekte besonders eigneten, wie die Mikrochemie. Mit der Mikrochemie sind nur winzige Mengen der wertvollen Quellen nötig, um Analysen durchzuführen. Beide Kooperationspartner profitierten von der Zusammenarbeit: Geisteswissenschaftler konnten ihre Forschungsfragen lösen und Naturwissenschaftler ihre Expertise unter Beweis stellen und ihre Methoden weiterentwickeln. Mit ihrer Arbeit zeigt Musil-Gutsch einen neuen Blickwinkel auf die damalige Wissenschaftslandschaft und beleuchtet erstmals die gemeinsame Forschungspraxis von Natur- und Geisteswissenschaften um 1900.

Josephine Musil-Gutsch war von 2018 bis 2022 Doktorandin am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München. Während ihrer Promotion absolvierte sie Archivaufenthalte in Berkeley/USA, Halle (Saale), Berlin, Wien/Österreich und Leipzig sowie Forschungsaufenthalte an der University of California Berkeley/USA und der Universität Amsterdam/Niederlande. Sie hielt Vorträge u. a. an der Stanford University/USA und an der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2021). 2018 wurde ihr der Graduate Student Paper Award der Society for the History of Humanities verliehen. Seit November 2022 ist sie als Beraterin bei RGE Unternehmensberatung in München tätig.
Mit dem Georg-Uschmann-Preis für Wissenschaftsgeschichte, der den Namen des Wissenschaftshistorikers Georg Uschmann (1913–1986) trägt, zeichnet die Leopoldina alle zwei Jahre eine hervorragende wissenschaftshistorische Dissertation aus. Gestiftet wurde der Preis im Jahr 1997 von Ilse und Eugen Seibold. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert.

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Über die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina
Als Nationale Akademie der Wissenschaften leistet die Leopoldina unabhängige wissenschaftsbasierte Politikberatung zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Dazu erarbeitet die Akademie interdisziplinäre Stellungnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse. In diesen Veröffentlichungen werden Handlungsoptionen aufgezeigt, zu entscheiden ist Aufgabe der demokratisch legitimierten Politik. Die Expertinnen und Experten, die Stellungnahmen verfassen, arbeiten ehrenamtlich und ergebnisoffen. Die Leopoldina vertritt die deutsche Wissenschaft in internationalen Gremien, unter anderem bei der wissenschaftsbasierten Beratung der jährlichen G7- und G20-Gipfel. Sie hat rund 1.700 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern und vereinigt Expertise aus nahezu allen Forschungsbereichen. Sie wurde 1652 gegründet und 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt. Die Leopoldina ist als unabhängige Wissenschaftsakademie dem Gemeinwohl verpflichtet.

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