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Foto: privat
Wahljahr: | 2022 |
Sektion: | Psychologie und Kognitionswissenschaften |
Stadt: | Berlin |
Land: | Deutschland |
Forschungsschwerpunkte: Neurowissenschaften, Neuronale Plastizität, Umweltneurowissenschaften
Simone Kühn ist eine deutsche Neurowissenschaftlerin, die sich vor allem mit der Plastizität des Gehirns beschäftigt. Ihr Schwerpunkt liegt dabei im neuen Forschungsfeld der Umweltneurowissenschaften: Sie versucht herauszufinden, ob und in welcher Weise verschiedene Umweltfaktoren das Gehirn und das Verhalten von Menschen beeinflussen.
Das Gehirn ist ein deutlich plastischeres Organ, als lange Zeit angenommen wurde. So können im Hippocampus und im präfrontalen Cortex neue Nervenzellen wachsen und in allen anderen Hirnbereichen kann es zu Umstrukturierungen kommen, bei denen sich schon vorhandene Zellen neu verbinden. All diese Vorgänge haben Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Gehirns – und sie lassen sich von außen beeinflussen. Schon länger ist beispielsweise bekannt, dass Sport, Ernährung und andere Facetten des Lebensstils das Denkorgan verändern können. Das Gleiche hat Simone Kühn auch für Videospiele nachgewiesen: Wer nicht übertrieben oft spielt, kann damit die Hirnstrukturen stärken, die für das räumliche Denken zuständig sind.
Viel weniger weiß man dagegen darüber, wie sich die alltägliche Umwelt auf das Gehirn auswirkt. Hinterlässt zum Beispiel ein Leben in der Stadt dort andere Spuren als eines auf dem Land? Genau solchen Fragen gehen Simone Kühn und ihr Team in verschiedenen Experimenten nach. Dabei finden sie immer wieder Hinweise darauf, dass eine natürliche Umgebung positive Effekte haben kann. Ein einstündiger Waldspaziergang senkt im Gehirn zum Beispiel die Aktivität der Amygdala, die an Angst- und Stressreaktionen beteiligt ist. Nach einem gleichlangen Stadtbummel fand sich dagegen kein solcher Effekt. Probandinnen und Probanden, die das Team mithilfe von Virtual-Reality-Brillen in natürlich wirkende Landschaften versetzte, fühlten sich dort nicht nur wohler als in virtuellen Häuserschluchten. Sie waren auch besser im Kopfrechnen. Sogar beim Gesundwerden kann ein Hauch von Natur helfen, zeigt eine Studie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE): Je mehr Grün vor den Fenstern von Krankenzimmern zu sehen ist, umso früher konnten die Patientinnen und Patienten der dortigen Depressionsstation entlassen werden.
Allerdings hat ein natürliches Umfeld nicht in jedem Fall positive Effekte auf das Denkorgan. Das haben Simone Kühn und ihr Team bei Menschen festgestellt, die auf der Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis überwintert hatten. Dort macht es die eintönig weiße Landschaft schwer, sich zurechtzufinden – und auch das hinterlässt offenbar Spuren im Gehirn. Jedenfalls schrumpfte bei den Polarreisenden ein Bereich im Hippocampus, der für das Orientierungsvermögen wichtig ist.
Langfristig will die Gruppe um Simone Kühn möglichst genau verstehen, welche Umweltreize welche Veränderungen im Gehirn auslösen. Das kann nicht nur Menschen helfen, die sich extremen Herausforderungen wie einem Winter in Polarregionen stellen wollen. Auch für den Alltag lassen sich daraus Erkenntnisse gewinnen – etwa für den Städtebau der Zukunft. Da weltweit immer mehr Menschen in einem urbanen Umfeld leben, wäre es wichtig zu wissen, was dort ihr Wohlbefinden und ihre geistige Leistungsfähigkeit fördern kann. Gegebenenfalls lassen sich sogar Möglichkeiten finden, psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Depression und Angststörungen vorzubeugen, die in Städten häufiger auftreten als auf dem Land.
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