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Nachricht | Donnerstag, 30. Mai 2024

Die Evolution des Immunsystems verstehen: Leopoldina ehrt Thomas Boehm mit der Mendel-Medaille

Die Evolution des Immunsystems verstehen: Leopoldina ehrt Thomas Boehm mit der Mendel-Medaille

Foto: Eric Anders

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ehrt den Immunbiologen Thomas Boehm für seine Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Immunbiologie und Genetik mit der Mendel-Medaille 2024. Boehm erforscht die genetischen Grundlagen des Immunsystems und dessen Entwicklung im Laufe der Evolution. Die Auszeichnung wird ihm am Mittwoch, 10. Juli 2024, im Rahmen des Symposiums der Klasse III – Medizin in Halle (Saale) überreicht.

Prof. Dr. Thomas Boehm erforscht das Immunsystem verschiedener tierischer Organismen, beispielsweise der Maus, des Zebrafischs, des Hais und des Neunauges. Durch die vergleichenden Studien konnte er Eigenschaften des Immunsystems aller Wirbeltiere identifizieren und Grundlagen ihrer Anpassungsfähigkeit herausarbeiten. So klärte er die Mechanismen der T-Zell-Entwicklung auf, identifizierte die molekularen Grundlagen verschiedener Immunschwächekrankheiten und konnte die ersten Krebsgene (Onkogene) bei T-Zell-Leukämien identifizieren. Boehm untersucht insbesondere die Funktion eines zentralen Steuerungsorgans, des Thymus. Im Thymus werden Zellen aus dem Knochenmark in T-Zellen (Abwehrzellen) umgewandelt, die dann Infektionen bekämpfen und Autoimmunerkrankungen unterdrücken. Boehm identifizierte mit seiner Forschungsgruppe das Gen FOXN1 und wies nach, dass es bei allen Wirbeltieren für die Thymusentwicklung notwendig ist. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung des evolutionären Ursprungs der MHC-vermittelten Peptidpräsentation. MHC-Moleküle spielen eine entscheidende Rolle bei der Präsentation von Proteinfragmenten (Peptiden) aus Zellen, Viren oder Bakterien. Diese Präsentation ermöglicht es dem Immunsystem, zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen zu unterscheiden. Um Krankheiten zu bekämpfen, will Thomas Boehm zudem Fehlfunktionen des Immunsystems korrigieren, wie sie sich beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen, also Angriffen auf körpereigenes Gewebe, zeigen. Mit seinem Team arbeitet er auch daran, künstliches Thymusgewebe im lebenden Organismus zu induzieren. Im Mausembryo ist dies bereits gelungen. Langfristiges Ziel ist es, künstliches Thymusgewebe an jeder beliebigen Stelle im Körper zu erzeugen, um die Auswirkungen erkrankten Gewebes auszugleichen.

Thomas Boehm studierte Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er 1982 promoviert wurde. Dort habilitierte er sich 1988 im Fach Biologische Chemie. Seit 1998 ist er Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, außerdem Direktor und wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik. Boehm gewann unter anderen 1997 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), 2014 den Ernst Jung-Preis für Medizin der Jung-Stiftung sowie 2021 den Heinrich-Wieland-Preis der Boehringer Ingelheim Stiftung. Seit 2002 ist er Mitglied der Leopoldina in der Sektion Humangenetik und Molekulare Medizin.

Die Preisverleihung findet im Rahmen des Symposiums der Klasse III – Medizin am Mittwoch, den 10. Juli 2024, in Halle (Saale) statt. Thomas Boehm wird in einem Vortrag seine Forschung vorstellen.

Die Mendel-Medaille wurde 1965 zu Ehren Gregor Mendels (1822–1884), dem Begründer der Vererbungslehre, gestiftet. Mit der Auszeichnung würdigt die Leopoldina Pionierleistungen auf dem Gebiet der allgemeinen und molekularen Biologie oder Genetik. Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören der Biophysiker und Nobelpreisträger Prof. Dr. Max Delbrück (1967) und der Biologe Prof. Dr. Sydney Brenner (1970), der 2002 den Medizin-Nobelpreis erhielt. 2022 wurde die Biologin und Medizinnobelpreisträgerin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard mit der Mendel-Sondermedaille geehrt.