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G7/G20-Statements

G7-Stellungnahme: Citizen science in the Internet era (2019)

G7-Stellungnahme 2019

(2019, 6 Seiten)

Citizen Science (Bürgerwissenschaften) wird definitionsgemäß von Bürgerinnen und Bürgern betrieben, die keine „wissenschaftlichen Fachpersonen“ sind. Sie entwickelt sich in rasantem Tempo weiter, was auf die Demokratisierung des Wissens, neue und schnellere Kommunikationstechnologien und den verbesserten freien Zugang zu Informationen zurückzuführen ist.

Ein erster – und wesentlicher – Bestandteil der Citizen Science ist die seit Langem etablierte „Gemeinschaftsbasierte partizipative Forschung“ (Community-Based Participatory Research, CBPR) in der Version des 21. Jahrhunderts. In der Regel wird CBPR von Menschen mit geringer formeller wissenschaftlicher Vorbildung betrieben, die an von ausgebildeten Expertinnen und Experten geleiteten Forschungsprojekten teilnehmen. Inzwischen umfasst CBPR zahlreiche Projekte auf der ganzen Welt, an denen Millionen von Menschen beteiligt sind und Milliarden von Datenelementen gesammelt wurden. Ein zweiter wachsender Bestandteil der Citizen Science ist die Arbeit von Einzelpersonen, die zwar über einen soliden wissenschaftlichen Hintergrund verfügen, jedoch außerhalb der Grenzen der üblichen professionellen Forschungssysteme tätig sind. Sie betreiben Wissenschaft im Rahmen von öffentlichen oder privaten virtuellen Gemeinschaften oder in privater Umgebung. Im Folgenden wird diese Kategorie der Citizen Science als „Forschung jenseits der Mauern“ (Beyond The Walls Research, BTWR) bezeichnet.

Im gegenwärtigen Internetzeitalter ist der potentielle Mehrwert dieser Forschungsansätze hoch: CBPR kann an der Verbesserung des öffentlichen Verständnisses von Wissenschaft und der wissenschaftlichen Methode mitwirken und somit einen Beitrag zur Demokratisierung von Wissen und Lernen leisten. BTWR bietet die Möglichkeit, Wissen und Innovation auf eine Weise voranzutreiben, die bisher für akademische, staatliche oder industrielle Forschungseinrichtungen nicht zugänglich war, und ist eine – von der Industrie vielfach genutzte – Gelegenheit, außerhalb des traditionellen Forschungssystems Talente zu entdecken.

Neben diesen möglichen Vorteilen bestehen jedoch auch Risiken – insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung der Forschungsergebnisse aus CBPR und BTWR. Diese Ergebnisse werden oftmals über diverse Kanäle außerhalb des traditionellen Peer-Review-Systems verbreitet. Zudem besteht die Gefahr, dass Personen, die sich in dieser neuen Citizen Science betätigen, ethische Richtlinien und Sicherheitsvorschriften, die für im traditionellen professionellen Rahmen vorgenommene Forschung gelten, nicht befolgen; aus diesem Grund sind Voraussicht und Kontrolle äußerst wichtig.
Schließlich erfordert die Entwicklung der Citizen Science verstärkte Anstrengungen in Bezug auf die wissenschaftliche Ausbildung von Bürgerinnen und Bürgern jeden Alters, die bereits in der Schule beginnen sollte, sowie den Miteinbezug von Sichtweisen aus den Disziplinen Kunst und Geisteswissenschaften, Recht, Bildung, Sozialwissenschaften und Ethik sowie Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Detaillierte Empfehlungen befinden sich am Ende dieser Stellungnahme.

  • Wissenschaftliche Bildung muss neu konzipiert werden: Schülerinnen und Schüler sollen das Werkzeug an die Hand bekommen, mit dem sie später Citizen Science oder professionelle Wissenschaft betreiben können.
  • Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, mit deren Hilfe ethisches Fehlverhalten und Sicherheitsrisiken in der Citizen Science vermieden oder minimiert werden.
  • Die gemeinsame Entwicklung von Citizen Science und Laborforschung sollte gefördert werden.
  • Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sollten die Möglichkeit haben, die bestehenden Verfahren der Bekanntmachung und Bewertung von wissenschaftlichen Beiträgen anzuwenden.
  • Es sollten spezifische Förderprogramme für Citizen Science ins Leben gerufen werden.
  • Informationssysteme zur Dokumentation der Inhalte und Ergebnisse der Citizen Science sollten gefördert werden.

 

Leopoldina

Dr. Ruth Narmann

Leiterin der Abteilung Internationale Beziehungen

Tel. 030 - 241 8987 - 473
Fax 0345 - 47 239 - 838
E-Mail ruth.narmann (at)leopoldina.org