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Nationale Empfehlungen

Klinische Prüfungen mit Arzneimitteln am Menschen (2014)

Ad-hoc-Stellungnahme zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG“

 

(2014, 52 Seiten)

Klinische Prüfungen mit Arzneimitteln am Menschen sind im Recht der Europäischen Union in der Richtlinie 2001/20/EG geregelt. Diese bestimmt, dass die vorhersehbaren Risiken und Nachteile gegenüber den Nutzenchancen, die mit einer klinischen Prüfung verbunden sind, für den Prüfungsteilnehmer und für andere gegenwärtige und zukünftige Patienten abzuwägen sind. Eine bloße Gruppennutzenchance sei nur bei minimalem Risiko oder einer minimalen Belastung zu rechtfertigen. Minderjährige und Nichteinwilligungsfähige sind in besonderer Weise geschützt. Wesentliche Elemente sind darüber hinaus die Bewertung und das Votum einer unabhängigen Ethik-Kommission. Neben der Richtlinie ist strengeres nationales Recht ggf. anzuwenden.

Folgen der Richtlinie 2001/20/EG

Die Richtlinie wurde in der Vergangenheit u. a. wegen folgender Aspekte kritisiert: Sie soll die klinische Forschung in der EU nicht ausreichend fördern und durch die fehlende Harmonisierung die Sicherheit der Teilnehmer an klinischen Studien gefährden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Bürokratisierungsgrad, der die Beantragung und Durchführung nichtkommerzieller klinischer (Langzeit-) Studien zur kontinuierlichen Verbesserung der Arzneimittelbehandlung und der Therapiesicherheit schwerwiegender Erkrankungen wie z. B. Krebserkrankungen – insbesondere bei Kindern – erschwert.

Änderungen durch eine neue EU-Verordnung

Es ist nachdrücklich zu begrüßen, dass mit dem Vorschlag für eine neue Verordnung über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln das Verfahren harmonisiert, verkürzt, vereinfacht und kostengünstiger gestaltet werden soll. Darüber hinaus sollen klinische Prüfungen zur Behandlung besonders vulnerabler Kranker erleichtert bzw. überhaupt ermöglicht werden. Mit Blick auf eine EU-weite Harmonisierung soll die neue Verordnung nationalem Recht unmittelbar vorgehen. Auch dies ist ausdrücklich zu befürworten.

Problematische Folgen des Entwurfs einer neuen Verordnung

So begrüßenswert die Intention ist, der unverändert umgesetzte Vorschlag würde auch einzelne ethisch schwer zu rechtfertigende Folgen haben: (1) Der Schutz Minderjähriger und nicht einwilligungsfähiger Erwachsener könnte im Vergleich zum geltenden Recht eingeschränkt werden, da weitergehende nationale Schutzvorschriften, etwa die des deutschen Arzneimittelgesetzes (AMG), unwirksam werden könnten. (2) Die Einbindung einer unabhängigen und umfassenden Ethik-Beurteilung könnte entfallen. (3) Bei länderübergreifenden Studien könnte auf einen berichterstattenden Mitgliedstaat mit niedrigeren Standards ausgewichen werden. (4) Bei der Bewertung der Vertretbarkeit würden die nicht berichterstattenden Mitgliedstaaten von der ethischen Schlussbewertung der klinischen Prüfung nahezu vollständig ausgeschlossen.

Bundestag, Bundesrat und der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments haben zu dieser Verordnung kritisch Stellung genommen. Vor diesem Hintergrund nimmt die vorliegende Ad-hoc-Stellungnahme zentrale dort formulierte Kritikpunkte auf, spricht weitere wesentliche kritische Punkte an und formuliert Empfehlungen, insbesondere auf den Feldern (A) Probandenschutz, (B) EU-weite Harmonisierung, (C) Rolle der Ethik-Kommission sowie (D) Abstimmungsverfahren zwischen den EU-Staaten.

Leopoldina

Elmar König

Leiter der Abteilung Wissenschaft – Politik – Gesellschaft, Leiter Berliner Büro

Tel. 030 203 8997 - 865
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