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Nationale Empfehlungen

Schutzimpfungen – Chancen und Herausforderungen (2008)

Impfstoffe sind die kosteneffektivste Maßnahme der Infektionsmedizin und haben wesentlich zur Eindämmung von Infektionskrankheiten beigetragen. Trotzdem stellen solche Krankheiten nach wie vor ein globales gesundheitspolitisches Problem dar.

 

(2008)

Schutzimpfungen – Chancen und Herausforderungen

Infektionskrankheiten stellen nach wie vor ein globales gesundheitspolitisches Problem dar. Die in den vergangenen Jahren aufgetretenen SARS-Fälle und die Probleme der Geflügelpest haben uns dies vor Augen geführt. Krankheitserreger sind weltweit für 15 bis 17 Millionen Tote jährlich und somit für ca. ein Drittel aller krankheitsbedingten Todesfälle verantwortlich. Impfstoffe sind die kosteneffektivste Maßnahme der Infektionsmedizin und haben wesentlich zur Eindämmung von Infektionskrankheiten beigetragen. In der Empfehlung des Präsidiums der Leopoldina zur Entwicklung und Verwendung von Schutzimpfungen spricht sich die Akademie u. a. für die Etablierung eines Nationalen Impfplanes, für die verstärkte Überwachung von Infektionskrankheiten und für die adäquate Versorgung von Entwicklungsländern mit Impfstoffen aus.

Infektionskrankheiten spielen nach wie vor eine große gesundheitspolitische Rolle. Weltweit sind ca. 30 Prozent aller Todesfälle auf Infektionen zurückzuführen. Impfstoffe sind die kosteneffektivste Maßnahme der Infektionsmedizin und haben wesentlich zur Eindämmung von Infektionskrankheiten beigetragen. Gegen viele Infektionskrankheiten konnten allerdings bislang keine Impfstoffe entwickelt werden. In Industrieländern weit verbreitete Impfstoffe stehen zudem in vielen Entwicklungsländern aus Kostengründen nicht zur Verfügung. Impfstoffe haben zwar einen hohen Wert für die Gesellschaft, besitzen für die Industrie jedoch nur geringe finanzielle Attraktivität. Trotz der Erfolge der Impfung ist besonders in Industrieländern eine zunehmende Impfmüdigkeit, abnehmende Impfakzeptanz und zum Teil sogar Impfgegnerschaft zu verzeichnen. Die Leopoldina greift diese Situation auf und fasst den Handlungsbedarf im Hinblick auf die Entwicklung und Verwendung von Schutzimpfungen wie folgt zusammen:

1. Es wird die Etablierung eines „Nationalen Impfplanes“ empfohlen. In diesem Programm sollten definierte Impfziele sowie konkrete Vorgaben für die Umsetzung von Impfstoffbeschaffung, bis hin zur Finanzierung und zur Aufklärung der Bevölkerung enthalten sein.

2. Verstärkte Anstrengungen werden im Hinblick auf Fragen der Epidemiologie, der Überwachung von Infektionskrankheiten sowie der Aufdeckung, Bewertung und Prävention von Nebenwirkungen (Pharmakovigilanz) eingefordert.

3. Neben den nationalen Gegebenheiten sind auch internationale Aspekte der Impfstoffentwicklung und -verbreitung zu berücksichtigen und Strategien zu entwickeln, die die Verfügbarkeit von Impfstoffen in Entwicklungsländern erleichtern. Kooperationen mit anderen Ländern, mit staatlichen (GOs) und nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) sowie Stiftungen müssen zu diesem Zweck ausgebaut werden. Zu den klassischen Förderprogrammen müssen weitere Ansätze, z. B. gezielte Impfstoffabnahmen, treten.

4. Partnerschaften zwischen öffentlich finanzierten Forschungsinstituten und der Wirtschaft sollten gestärkt und eine enge Vernetzung zwischen Grundlagenforschung, Entwicklung und Produktion angestrebt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist den Problemen der Lieferengpässe und der Haftungsfrage zu widmen.

5. Ein wichtiges Thema stellen Infektionskrankheiten dar, die bereits als ausgerottet gelten. Hier müssen genügend Impfstoffmengen vorgehalten sowie das Know-how zur Bekämpfung dieser Infektionskrankheiten bewahrt bleiben.

6. Interdisziplinäre Netzwerke aus veterinär- und humanmedizinischen Forschergruppen können die Basis für eine zukunftsorientierte Vakzineforschung und -entwicklung im human- und veterinärmedizinischen Bereich bilden. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten sollte die frühzeitige Erkennung und Bekämpfung von Zoonosen, d. h. vom Tier auf den Menschen übertragbarer Infektionen, sein.

7. Da bis zu einem Drittel aller Krebserkrankungen durch mikrobielle Erreger verursacht werden, ist die Entwicklung und Anwendung von wirksamen Impfstoffen gegen krebsauslösende Erreger besonders zu fördern.

8. Die modernen Methoden der Genom- und Proteomforschung bieten neue Möglichkeiten, Pathogeneseprozesse im Gesamtorganismus zu studieren. Diese Methoden müssen verstärkt für die Vakzineforschung geöffnet werden.

9. Die Grundlagenforschung in den Bereichen Immunologie, Infektionsbiologie und Vakzinologie an universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen muss verstärkt werden. Aufmerksamkeit ist auch der Etablierung geeigneter Tiermodelle sowie der Entwicklung von Biomarkern zu widmen.

10. Der klinischen Infektiologie gilt besonderes Augenmerk. Um effektive Behandlungsstrukturen zu schaffen, ist auch die Entwicklung einer geeigneten Infrastruktur notwendig.

11. Arbeiten zur frühzeitigen Entdeckung und Bekämpfung von Pandemien sind vor allem im internationalen Rahmen voranzutreiben.

12. Die Aus- und Weiterbildung von Medizinern und Naturwissenschaftlern im Bereich der klinischen Infektiologie sowie der Impfstoffforschung und -entwicklung sollte bevorzugt erfolgen.

Leopoldina

Elmar König

Leiter der Abteilung Wissenschaft – Politik – Gesellschaft, Leiter Berliner Büro

Tel. 030 203 8997 - 865
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