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Forschung

Emil Abderhalden war ein schweizerisch-deutscher Biologe und Mediziner, Mitbegründer der Proteinbiochemie und XX. Präsident der Leopoldina von 1932 bis 1950. Abderhaldens Forschungsschwerpunkte lagen in der Analyse von Proteinkörpern. So entdeckte er neue Aminosäuren und untersuchte die Synthese von Polypeptiden. Seine Rolle als Leopoldina-Präsident in der NS-Zeit und sein Verhalten in der Verteidigung seines Konzepts der „Abwehrfermente“ haben vielfach Kritik ausgelöst.

Emil Abderhalden forschte als Biochemiker zu Vitaminen und zur Proteinbiochemie und war Herausgeber von Fachzeitschriften wie „Fortschritte der naturwissenschaftlichen Forschung“ (seit 1913) und Lehrbüchern (Lehrbuch der Physiologie, 4 Bde.) sowie Handbüchern (Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, seit 1909). Er selbst maß wesentliche Bedeutung den von ihm 1909 vermeintlich entdeckten „Abwehrfermenten“ (Schutzfermente des tierischen Organismus, 1912) zu. Das auf dieser Grundlage entwickelte Konzept wurde in der Biochemie der Folgejahrzehnte außerordentlich populär, fand aber auch scharfe Kritiker. Abderhalden korrespondierte nachweislich u.a. mit dem Berliner Erbforscher Otmar Freiherr von Verschuer, den er um Erprobung seines Konzepts an eineiigen Zwillingen bat, sowie mit Claus Schilling, der damit im Konzentrationslager Dachau an Gefangenen zu experimentieren plante. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg erwiesen sich „Entdeckung“ und Konzept als nicht mehr haltbar.

Den zweiten bedeutenden Komplex in Abderhaldens Arbeit als Mediziner bildeten die Themen „Eugenik“ und „Sozialhygiene“. Mit dem von ihm 1915 im Kontext von Lebensreform und Völkischer Bewegung gegründeten „Bund zur Erhaltung und Mehrung der deutschen Volkskraft“ organisierte er sogenanntes „Kartoffelland“ für ca. 6.000 Familien. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bemühte er sich in der Stadt Halle um die Minderung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der sozialhygienischen und ernährungsphysiologischen Bedingungen, organisierte 1919-1925 die sogenannte „Schweizerfürsorge“ für ca. 60.000 unterernährte deutsche Kinder in Schweizer Familien und förderte die Ausbildung von Hebammen und Säuglingsschwestern. Für sein sozialpolitisches Engagement während des Ersten Weltkrieges und in der Weimarer Republik dankte ihm die Stadt Halle noch in den 1950er Jahren und benannte 1953 eine Straße nach ihm. Abderhaldens Eintreten für Eugenik war eng mit biologistischen zeitgenössischen Ethikdiskursen verbunden, woraus sich Übereinstimmungen, aber auch Konflikte mit der nationalsozialistischen Ideologie ergaben (Frewer, 2000).

Werdegang

Abderhalden studierte ab 1895 Medizin in Basel, legte 1901 sein Staatsexamen ab und wurde 1902 mit einer Arbeit „Über den Einfluss des Höhenklimas auf die Zusammensetzung des Blutes“ promoviert. Danach ging er nach Berlin zu dem Chemie-Nobelpreisträger Emil Fischer und habilitierte sich 1904 im Fach Physiologie. 1908 zum Professor und Direktor des Physiologischen Instituts an der Berliner Tierärztlichen Hochschule berufen, war er ab 1911 Professor für physiologische Chemie und Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Halle. Ein Jahr später wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Bei Abzug der Amerikaner 1945 aus Halle wurde Abderhalden gemeinsam mit anderen hallischen Wissenschaftlern in die  westlichen Besatzungszonen umgesiedelt. Von dort aus ging er nach Zürich und bekleidete an der dortigen Universität 1946/47 den Lehrstuhl für Physiologische Chemie. Einen erneuten Ruf an die Universität Halle (1947) lehnte er ab.

Präsidentschaft

Mit der Wahl zum Präsidenten der Leopoldina 1932 fiel Emil Abderhalden eine bedeutende wissenschaftspolitische Position zu. Es ist sein Verdienst, dass die Akademie wieder an wissenschaftlicher Bedeutung gewann. Etwa die Hälfte der im Jahr 1933 gezählten 105 jüdischen Mitglieder war auf Initiative bzw. unter Mitwirkung Abderhaldens hinzugewählt worden.  Als jedoch 1938 die Akademien im „Akademien-Kartell“, dem die Leopoldina nicht angehörte, angewiesen worden waren, ihre jüdischen Mitglieder zu entlassen, veranlasste Abderhalden die Streichung aller jüdischen Mitglieder der Leopoldina. Er informierte am 7. Dezember 1938 Gauleiter und Minister, „dass unserer Akademie nur Persönlichkeiten angehören, die keine Juden sind“ und fügte hinzu, „dass schon seit einiger Zeit die Zusammensetzung des Mitgliederbestandes“ der Leopoldina „in vollem Einklang mit den Erfordernissen der Zeit“ stehe. Die betroffenen Mitglieder wurden weder persönlich noch öffentlich über ihren Ausschluss in Kenntnis gesetzt, ihre Karteikarten wurden aussortiert und separat aufbewahrt. Am 9. Mai 1945 wurde der alte Zustand in der Mitgliederkartei  wieder hergestellt.

Eine genauere Einordnung Abderhalden hat anhand neuer Forschungen der Berliner Wissenschaftshistoriker Rüdiger vom Bruch vorgelegt (siehe den obenstehenden Link). 

Literatur: Jakob Gabathuler, Emil Abderhalden, sein Leben und Werk, St. Gallen 1991; Andreas Frewer, Medizin und Moral in Weimarer Republik und Nationalsozialismus: die Zeitschrift "Ethik" unter Emil Abderhalden, Frankfurt/New York 2000; Mir Taher Fattahi, Emil Abderhalden (1877 - 1950): Die Abwehrfermente: ein langer Irrweg oder wissenschaftlicher Betrug?, Berlin 2006.

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