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Wie sicher ist Grüne Gentechnik für Umwelt und Gesundheit?

Wie sicher ist Grüne Gentechnik für Umwelt und Gesundheit?

Foto: IPK/ Andreas Bähring

Die mithilfe Grüner Gentechnik gezüchteten Pflanzen dürfen auf dem Feld keine Gefahren für die Umwelt bergen und müssen für die Ernährung gesundheitlich unbedenklich sein. So sehen es die europäischen Vorschriften vor. Bei einer wissenschaftsbasierten Bewertung der Sicherheit kommt es auf das Produkt an: Wenn die genetische Veränderung genau so auch in der Natur oder bei der konventionellen Züchtung eintreten kann, sind neuartige Risiken nicht zu erwarten.

Mittlerweile wurden über Jahrzehnte hinweg Erfahrungen mit Produkten der Grünen Gentechnik gesammelt. Die präzisen Verfahren der Genomeditierung, zu denen auch die Genschere CRISPR/Cas zählt, sind zwar neu. Klassische gentechnische Methoden, bei denen ebenfalls Eingriffe ins Erbgut erfolgen, werden jedoch schon lange für die Landwirtschaft genutzt. Mitte der 1990er Jahre kamen die ersten gentechnisch veränderten Nutzpflanzen auf den Markt. Bei den Methoden der ersten Generation wurden zumeist transgene Pflanzen erzeugt – also solche, denen das Gen einer nicht verwandten Art übertragen wurde, beispielsweise ein bakterielles Gen für Herbizidtoleranz. Mit dem Aufkommen der Grünen Gentechnik ging eine gesellschaftliche Diskussion über mögliche Risiken einher. In Europa legte der Gemeinschaftsgesetzgeber restriktive rechtliche Regelungen mit zeit- und kostenaufwendigen Marktzulassungsverfahren fest.

Parallel dazu wurde die Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen untersucht, also mögliche negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit. Zahlreiche Sicherheitsstudien kommen zu dem Schluss, dass von gentechnisch veränderten Pflanzen per se kein höheres Risiko ausgeht als von Pflanzen, die durch konventionelle Züchtungstechniken erzeugt wurden.

Erfahrungen mit der klassischen Gentechnik

Mit der Zulassung der mithilfe von Gentechnik erzeugten sogenannten Anti-Matsch-Tomate in den USA im Jahr 1994 fing die Ära der Grünen Gentechnik an. Zwei Jahre später säten Landwirtinnen und Landwirte in den USA erstmals großflächig gentechnisch veränderte Nutzpflanzen aus: neue Mais- und Sojabohnensorten. Seitdem ist die weltweite Fläche, auf der solcherart Pflanzen angebaut werden, immer größer geworden. Im Jahr 2019 waren es insgesamt 190 Millionen Hektar, auf denen vor allem gentechnisch veränderte Soja-, Mais-, Baumwoll- und Rapspflanzen wuchsen.

Insbesondere in den USA, in Brasilien, Argentinien, Kanada und Indien nutzen Landwirtinnen und Landwirte die Produkte der klassischen Gentechnik. In Europa haben diese Produkte wenig Bedeutung. Einzig für den Anbau in der EU zugelassen ist der gegen Fraßinsekten resistente Mais MON810. Im Jahr 2020 wurde er ausschließlich in Spanien und Portugal angebaut. In Deutschland ist der Anbau dieser Maissorte seit 2009 verboten.

Die Anwendung der Gentechnik wurde von Beginn an von biologischer Sicherheitsforschung begleitet, auch in Deutschland. Dabei ging es zunächst um Verfahren, mit denen sich zusätzliche Gene ins Erbgut einschleusen lassen. Bei Pflanzen waren das bei den klassischen gentechnischen Projekten bisher zumeist Erbgutsequenzen anderer Arten. Typisches Beispiel ist die Übertragung von bakteriellen Genen, die eine bestimmte Eigenschaft vermitteln, beispielsweise insektizide Wirkung. Pflanzen, denen ein Gen einer anderen Art eingefügt wurde, werden als transgene Pflanzen bezeichnet.

Seit Ende der 1980er Jahre förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mehrere Projekte, in denen es unter anderem um mögliche Umweltauswirkungen ging. Besonders intensiv haben sich Forscherinnen und Forscher dabei mit Bt-Mais befasst, der ein Gen enthält, das bei Bodenbakterien der Art Bacillus thuringiensis zu finden ist. Es bewirkt die Produktion des Proteins Bt, das bestimmte Schadinsekten vernichtet, wenn sie es mit ihrer Nahrung aufnehmen. Bt-Mais wehrt damit Fraßinsekten wie den Maiszünsler ab. In den Projekten wurde geprüft, ob Mais-Bt-Proteine andere Lebewesen schädigen könnten, zum Beispiel Bienen, Schmetterlinge oder Bodenorganismen. Solche Effekte wurden nicht festgestellt. Vielmehr zeigte sich, dass konventioneller Maisanbau mit chemischen Mitteln gegen den Maiszünsler ökologisch gravierendere Folgen hat.

In einer 2014 veröffentlichten Bilanz des BMBF ergaben sich nach 25 Jahren biologischer Sicherheitsforschung an gentechnisch veränderten Pflanzen keine Anhaltspunkte für Risiken, die spezifisch der Gentechnik beziehungsweise entsprechend veränderten Pflanzen zuzuschreiben sind. 2010 hatte die Kommission der Europäischen Union (EU) bereits ein ähnliches Fazit nach mehr als 25 Jahren biologischer Sicherheitsforschung an transgenen Pflanzen gezogen. Die Schlussfolgerung aus mehr als 130 Forschungsprojekten, an denen rund 500 unabhängige Gruppen von Forschenden beteiligt waren: Die Biotechnologie und insbesondere genetisch veränderte Pflanzen sind per se nicht riskanter als beispielsweise konventionelle Pflanzenzüchtung.

Ebenfalls 2014 veröffentlichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Perugia/Italien eine besonders umfangreiche Auswertung von knapp 1.800 Studien und Berichten. Die Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass die bisher durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen keine signifikanten Gefahren im Zusammenhang mit der Verwendung von genetisch veränderten Kulturpflanzen festgestellt haben. Aus wissenschaftlicher Sicht sei eine pauschale Ablehnung gentechnisch veränderter Pflanzen aus Sicherheitsgründen nicht haltbar.

Prof. Dr. Ralph Bock zu den Risiken Grüner Gentechnik

Molekularbiologe

„Nach 30 Jahren Sicherheitsforschung kann man mit Fug und Recht sagen, dass die Technologie an sich sicher und gesundheitlich unbedenklich ist.“

Foto: MPI-MP

Gezielte Mutagenese durch Genomeditierung

Für neue molekulargenetische Verfahren wie CRISPR/Cas liegen noch keine Langzeiterfahrungen vor. Zugleich gibt es aber auch keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass die zielgerichteten Methoden der Genomeditierung mit spezifischen Risiken verbunden sind. Das betonen die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in ihrer 2019 erschienenen Stellungnahme zur Regulierung genomeditierter Pflanzen. Sie weisen auf den in den Lebenswissenschaften verbreiteten Konsens hin, dem zufolge vor allem jene Verfahren der Genomeditierung, bei denen lediglich einzelne Gene deaktiviert oder verändert werden, den Produkten der klassischen Züchtung gleichzusetzen sind.

Für eine im Frühjahr 2021 veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission über neue genomische Verfahren hat die in der EU für die Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde European Food Safety Authority (EFSA) einen Überblick über die wissenschaftliche Risikobewertung der Anwendung erstellt. Darin kommt sie ebenfalls zu dem Schluss, dass mit der Anwendung der gezielten Mutagenese durch Genomeditierung, verglichen mit konventionellen Züchtungsverfahren, keine neuartigen Risiken verbunden sind.

Mutagenese bezeichnet allgemein die Erzeugung von Mutationen, also von Veränderungen im Erbgut. Das war schon vor dem Aufkommen der Gentechnik möglich. Die herkömmliche Mutagenese, wie sie seit den 1960er Jahren in der Pflanzenzucht praktiziert wird, ist ungerichtet und erfolgt durch den Einsatz von chemischen Substanzen oder ionisierender Strahlung, die erbgutverändernde Eigenschaften haben. An welcher Stelle im Erbgut Veränderungen stattfinden, lässt sich dabei nicht steuern, sondern nur im Anschluss überprüfen. Darüber hinaus kommt es oft zu zahlreichen ungewünschten Mutationen. Eine gezielte Mutagenese ist erst durch die Entwicklung gentechnischer Verfahren in den 1980er Jahren möglich geworden. Mit der Genomeditierung hat sich die Präzision zuletzt deutlich verbessert. Mit Verfahren wie der Genschere CRISPR/Cas lässt sich nahezu jede beliebige Stelle im Erbgut zielgenau verändern. Ungewünschte Mutationen sind bei der gezielten Mutagenese erheblich seltener.

Grundsätzlich ist auch die Cisgenese anders zu bewerten als die Transgenese. Mit Cisgenese sind Anwendungen gemeint, bei denen in Pflanzen mithilfe von gentechnischen Verfahren ausschließlich arteigene Gene eingebracht werden oder Gene nahe verwandter Arten. Ein Beispiel für cisgene Pflanzen sind Kartoffeln, die durch Einbringen eines Gens aus Wildkartoffeln resistent gegen Kraut- und Knollenfäule sind. Im Gegensatz dazu enthalten transgene Pflanzen das Erbgut einer anderen Art. Ein bekanntes Beispiel ist die mit klassischer Gentechnik erzeugte Maissorte MON810, in deren Erbgut ein Gen aus Bodenbakterien der Art Bacillus thuringiensis eingefügt wurde, das der Schädlingsbekämpfung dient.

Letztendlich kommt es mit Blick auf die Sicherheit vor allem darauf an, welche Eigenschaften der Pflanze mit der Genschere verändert wurden. Wenn ein Produkt entsteht, das auch durch konventionelle Züchtung oder durch natürliche Mutation hätte entstehen können, ist die Sachlage eine andere, als wenn zum Beispiel Gene anderer Arten eingefügt werden. Aus diesem Grund plädieren viele Expertinnen und Experten für eine Regulierung, die sich auf das genomeditierte Produkt bezieht und weniger auf das zugrundeliegende Verfahren.

Bei den neuen Züchtungsverfahren und deren Produkten stellt sich grundsätzlich die Frage, ob sie weiterhin pauschal restriktiv reguliert werden sollten. Auf diesen Aspekt geht auch die Stellungnahme von Leopoldina, DFG und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ein. Vor allem bei noch vorliegender großer wissenschaftlicher Ungewissheit sei das Vorsorgeprinzip bedeutsam. Zugleich weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf hin, dass es nicht im Restrisikobereich gelte – wenn also die Ungewissheiten jenseits der Schwelle praktischer Vernunft liegen und Risiken nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft nicht vorstellbar sind. Für die neuen Verfahren der molekularen Züchtung und deren Produkte bestehe in diesem Sinne nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ausdrücklich kein spezifischer neuer Vorsorgeanlass. Zugleich betonen sie, dass hohe gesellschaftliche Kosten und Risiken für Mensch und Umwelt auch dadurch entstehen können, dass wichtige Innovationen unterbunden werden.

Prof. Dr. Ralph Bock zu Risiken genomeditierter Pflanzen

„Aus wissenschaftlicher Sicht sind keine neuartigen Risiken erkennbar und eigentlich auch nicht einmal theoretisch vorstellbar.“

Wie die Sicherheit derzeit geprüft wird

Die Zulassung neuartiger Lebensmittel wird in vielen Ländern streng kontrolliert. Sie sollen sicher sein und dürfen die Gesundheit nicht gefährden. In der EU ist ein unabhängiges Sachverständigengremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA für die Zulassung zuständig. Dort müssen Hersteller von Produkten aus genetisch veränderten Pflanzen umfangreiche Untersuchungen vorlegen, in denen es um die Veränderungen auf molekularer Ebene, um potenzielle Giftigkeit und Auslösung von Allergien geht.

Dies ist vor allem in solchen Fällen wichtig, in denen Pflanzen ein neues Gen übertragen wurde und die dementsprechend auch ein artfremdes oder verändertes Protein bilden. Wenn dieses Protein oder ein damit zusammenhängender anderer Inhaltsstoff zuvor nicht in der Ernährung vorkam, muss ausgeschlossen werden, dass diese schädlich oder allergieauslösend sind. Darüber hinaus wird ein Vergleich mit dem herkömmlichen Gegenstück gezogen. Denn grundsätzlich müssen Lebensmittel aus genetisch veränderten Pflanzen so sicher sein wie das konventionelle Vergleichsprodukt.

Prof. Dr. Matin Qaim zur Bewertung von Risiken

Agrarökonom

„Der richtige Weg wäre es, ein vernünftiges Verfahren zur Risikoprüfung anhand des Produktes zu haben.“

Besteht ein Gentechnik-Produkt die Prüfungen und erhält von der EFSA ein positives Gutachten, kann es für den Anbau beziehungsweise für die Vermarktung zugelassen werden. Die endgültige Entscheidung darüber fällt nicht das Gremium selbst, sondern letztlich die EU-Kommission. Die Mitgliedsstaaten haben jedoch seit einigen Jahren die Möglichkeit, national ein Anbauverbot auszusprechen. Ein Produkt erhält in der Regel für zehn Jahre eine Zulassung und muss sich nach Ablauf dieses Zeitraums erneut einer Bewertung durch die EFSA unterziehen.

Sollten bestimmte genomeditierte Pflanzen künftig nicht mehr unter das Gentechnikrecht fallen, entfiele für sie der komplexe Zulassungsprozess. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das für solche Produkte vertretbar, die genauso auch durch herkömmliche Züchtungsverfahren oder natürliche Erbgutveränderung hätten entstehen können.