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Klimaschutz – warum er notwendig ist und wie er gelingen kann

Klimaschutz – warum er notwendig ist und wie er gelingen kann

Foto: Adobe Stock | Vadim Nefedov

In den vergangenen 10.000 Jahren war das Klima auf der Erde lange Zeit sehr stabil. Seit Beginn der Industrialisierung haben sich die globalen mittleren Temperaturen durch die Verbrennung fossiler Energieträger und eine veränderte Landnutzung in vergleichsweise kurzer Zeit um mehr als ein Grad Celsius erhöht. Ohne intensive Klimaschutzmaßnahmen könnte der durchschnittliche Anstieg in den nächsten Jahrzehnten zwei Grad Celsius überschreiten. Die Klimaforschung trägt zum Wissen über den sich wandelnden Planeten bei: mit zunehmend präzisen Klimamodellen ebenso wie mit Lösungsoptionen.

Seit Jahrzehnten machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf aufmerksam, dass die Menschheit das Klima und die Erde durch ihre Lebensweise dramatisch verändert und dass es erforderlich ist umzusteuern. Doch der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt nahezu stetig und treibt die Klimaerwärmung an. Nach Daten der Internationalen Energieagentur wurden im Jahr 2021 durch die Verbrennung fossiler Energieträger und durch industrielle Prozesse weltweit rund 36 Gigatonnen Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen. 50 Jahre zuvor lag der Wert noch bei knapp 14 Gigatonnen.

Im globalen Mittel hat sich die Oberflächentemperatur zwischen 1880 und 2020 bereits um mindestens 1,2 Grad Celsius erhöht. Die Weltgemeinschaft hat die Gefahr mittlerweile erkannt. Im Jahr 2015 wurden auf der 21. Weltklimakonferenz mit dem Pariser Klimaabkommen völkerrechtlich verbindliche Ziele gesetzt. Dabei verpflichteten sich 195 Staaten, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (1850 bis 1900) auf deutlich unter zwei Grad Celsius, möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Für dieses Ziel lässt sich zumindest näherungsweise die Menge an CO2 und anderen Treibhausgasen berechnen, die die Menschheit global noch in die Atmosphäre abgeben darf: das Treibhausgasbudget. Wird es überschritten, sind die Ziele aller Voraussicht nach nicht zu erreichen. Um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, darf die Menschheit – gerechnet ab Anfang 2020 – nur noch etwa 400 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 in die Atmosphäre geben, für eine Beschränkung auf eine Erwärmung von maximal zwei Grad Celsius bleiben etwa 1.150 Gigatonnen. Je später damit begonnen wird, den Ausstoß einzuschränken, desto drastischer müssen die Maßnahmen ausfallen, um das angestrebte Temperaturziel noch zu erreichen.

Prof. Dr. Ricarda Winkelmann über die Bedeutung der Kryosphäre

Physikerin und Glaziologin

„Unsere Lebensgrundlage hängt direkt oder indirekt von der Kryosphäre, also allen Eislandschaften auf der Erde, ab.“ Foto: PIK / Karkow

Auf der 26. Weltklimakonferenz im Jahr 2021 in Glasgow/Schottland wurde das Regelwerk für die Umsetzung des Pariser Abkommens vollends verabschiedet und damit die Phase eingeläutet, in der die Staaten zeigen müssen, dass sie tatsächlich gewillt sind, das Vereinbarte umzusetzen. Bis 2030 müssen für das 1,5-Grad-Ziel die globalen CO2-Emissionen gegenüber 2010 um 45 Prozent sinken, bis 2050 sollen Netto-Null-Emissionen erreicht werden. Netto-Null bedeutet, dass die Menschheit nicht mehr Treibhausgase ausstößt, als natürliche Senken wie Meere oder Wälder aufnehmen können und sich durch technische Maßnahmen aus der Atmosphäre entfernen lässt.

Damit sind diese Ziele konkreter als zuvor gefasst sowie eindeutig messbar und überprüfbar. Zudem machen sie den engen Zusammenhang zwischen dem Schutz von Meeren, Wäldern und anderen Ökosystemen mit dem Klimaschutz deutlich. Den Ländern des Globalen Südens, die am wenigsten zur Klimaerwärmung beigetragen haben, aber am meisten unter den Folgen leiden werden, wurde zudem finanzielle Unterstützung von jährlich mehr als 100 Milliarden US-Dollar zugesagt.

Die Keeling-Kurve als Symbol der Klimaforschung

Das Wissen über den menschengemachten Klimawandel und den Einfluss der Treibhausgase hat sich in den vergangenen 200 Jahren entwickelt. Im 19. Jahrhundert erkannten Forscherinnen und Forscher erste grundlegende Zusammenhänge und entdeckten, dass die Atmosphäre der Erde einen Treibhauseffekt erzeugt, der die Temperaturen auf der Erde höher hält als zu erwarten wäre.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte man, dass es das Spurengas Kohlendioxid ist, das diese Temperaturerhöhung verursacht, indem es die von der Erde ausgehende Infrarotstrahlung zurückhält. In dieser Zeit stieg auch die Zahl der eingerichteten Wetterstationen weltweit. So wurde es möglich, einen globalen Mittelwert zu bilden, den Verlauf der Temperatur auf der Erde zu verfolgen und mit der später beginnenden Messung der CO2-Konzentration in Beziehung zu setzen. Im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde zunehmend klar, dass steigende CO2-Mengen in der Atmosphäre zu steigenden Temperaturen führen und dass dies durch die Verbrennung fossiler Energieträger ausgelöst werden kann.

Doch erst im Jahr 1958 begann auf dem Vulkan Mauna Loa (Hawaii/USA, 3.397 Meter über dem Meeresspiegel) die kontinuierliche Erfassung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Die erste Messung ergab eine Konzentration von 313 ppm (parts per million, Partikel pro eine Million Teilchen). Im Jahr 2021 wurden erstmals Werte über 420 ppm verzeichnet. Der stetige, im Jahresverlauf schwankende Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist durch die sogenannte Keeling-Kurve zu einem Symbol der Klimaforschung geworden. Sie stellt den mittleren Konzentrationsverlauf von Kohlenstoffdioxid in der Erdatmosphäre grafisch dar und ist benannt nach Charles Keeling von der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla, Kalifornien/USA. Der im Jahr 2005 verstorbene Klimaforscher hatte den Aufbau der Messstation (und weiterer Stationen) veranlasst, über Jahrzehnte Daten erhoben und damit erstmals überzeugende Belege dafür gefunden, dass der Mensch durch die Verbrennung fossiler Stoffe die CO2-Konzentration der Erdatmosphäre beeinflusst.

Prof. Dr. Robert Schlögl über das verbliebene CO₂-Budget

Chemiker und Katalyseforscher

„Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen, können wir ausrechnen, wie groß die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre sein kann – sie liegt bei 430 parts per million (ppm). Heute haben wir etwa 410 ppm in der Atmosphäre.“

Vom Club of Rome bis Fridays for Future

Bereits im Jahr 1965 warnten Wissenschaftler erstmals einen US-amerikanischen Präsidenten vor dem Klimawandel und seinen Folgen. Dem wissenschaftlichen Beratergremium, das den damaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson in einem Bericht auf erhebliche Umweltveränderungen infolge der Ansammlung von Kohlendioxid hinwies, gehörte auch Charles Keeling an.

Eine einflussreiche Organisation auf diesem Gebiet war der Club of Rome, der 1972 den ersten wissenschaftlich fundierten Bericht mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte. Wenngleich der Klimawandel keines der Hauptthemen war, lenkte die Publikation die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Themen wie Ressourcenausbeutung, Umweltzerstörung und Überbevölkerung und mahnte eine nachhaltige Lebensweise in einem ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewicht an.

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass sich die Atmosphäre der Erde infolge der Aktivitäten der Menschheit erwärmt. Um dieser Bedrohung zu begegnen, gründeten das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und die Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization, WMO) 1988 den IPCC, den Intergovernmental Panel on Climate Change, also einen zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen, der auch als Weltklimarat bezeichnet wird. Er ist das zentrale wissenschaftliche Organ im globalen Kampf gegen die Erderhitzung. Der Ausschuss veröffentlicht unter anderem etwa alle fünf bis sechs Jahre einen Sachstandsbericht mit einer wissenschaftlichen Einschätzung zum Status quo der globalen Klimalage.

Seit 1995 finden überdies jährlich UN-Weltklimakonferenzen statt, die offiziell Conference of the Parties (COP) to the United Nations Framework Convention on Climate Change heißen. Zwei der wichtigsten Beschlüsse, die in diesem Zusammenhang gefasst wurden, waren das Kyoto-Protokoll im Jahr 1997, das 2005 in Kraft trat, und das Pariser Klimaabkommen, das 2015 beschlossen wurde und 2016 das Kyoto-Protokoll ablöste.

2019 wurde von der Europäischen Kommission das Europäische Grüne Abkommen vorgeschlagen, bekannt als European Green Deal. Es mündete 2021 in das europäische Klimagesetz. Es sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der EU bis 2050 klimaneutral werden. Auf dem Weg dorthin sollen bis 2030 die Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.

Prof. Dr. Antje Boetius über Veränderungen im Zeichen des European Green Deal

Meeresforscherin und Mikrobiologin

„Wir haben in Deutschland, Europa und der Welt schon mit vielen Umbaumaßnahmen begonnen. Diese sind nicht alle nur technisch, sondern auch sozial, ökonomisch und tatsächlich auch in der Natur.“
Foto: Esther Horvath

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt über das Konzept des European Green Deal

Ökonom

„Der European Green Deal ist eine übergreifende Erzählung der EU-Kommission, über das von ihr verfolgte Konzept für Wachstum und Fortschritt in der EU zu sorgen.“ Foto: RWI / Sven Lorenz

Außerhalb der institutionellen Einrichtungen haben sich in den vergangenen Jahren unabhängige Bewegungen und Initiativen entwickelt, die regelmäßig durch Demonstrationen und Aktionen auf die Klimakrise aufmerksam machen, um Politik und Gesellschaft aufzurütteln. Besonders bekannt ist die Fridays for Future-Bewegung, die mit der schwedischen Schülerin Greta Thunberg und ihrem ersten Schulstreik fürs Klima am 20. August 2018 ihren Anfang nahm und innerhalb kurzer Zeit zu einer globalen Bewegung erwuchs.

Was ist zu tun?

Die Bestrebungen zur Minderung der Konzentration von CO2 und anderen Treibhausgasen können an drei Stellen ansetzen. Der erste und wichtigste Ansatzpunkt ist die rasche und nachhaltige Abkehr von fossilen Energieträgern. Dies erfordert letztlich einen grundlegenden Umbau der Energieumwandlung weltweit, sodass Wirtschaft und Gesellschaft vollständig auf die Verbrennung von fossilen Energieträgern verzichten.

Der zweite Ansatz verfolgt die Idee, natürliche sogenannte Kohlenstoffsenken zu schützen und auszubauen. Etwa die Hälfte der von Menschen verursachten Emissionen wird bisher von Wäldern, Böden und den Meeren aufgenommen. Wie lange Böden und Wälder dies noch vermögen, ist unsicher. Deshalb ist es wichtig, diese Senken zu schützen. Ein dritter Ansatz besteht im Einsatz technologischer Maßnahmen zur Erzeugung sogenannter negativer Emissionen, bei denen der Atmosphäre CO2 entzogen wird. Viele dieser Verfahren sind jedoch nur lokal erprobt und es ist unklar, inwieweit sie im globalen Maßstab realisierbar sind.

Veröffentlicht: August 2022