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Aerosole, Treibhausgase, Kippelemente – Fragestellungen der Klimaforschung

Aerosole, Treibhausgase, Kippelemente – Fragestellungen der Klimaforschung

Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath

Klimaforscherinnen und -forscher nutzen Daten aus langen Zeitreihen, feinjustierte Klimamodelle und schnelle Großrechner, um die globale Erwärmung und ihre Folgen immer genauer abzuschätzen. Sie wollen verstehen, welche Effekte Treibhausgase und Aerosole auf das Klima haben, wann unumkehrbare Ereignisse wie das Abschmelzen der Eisschilde eintreten und wie groß das verbleibende Emissionsbudget für bestimmte Klimaziele ist.

Die Energiebilanz der Erde und die Physik des Treibhauseffekts liefern naturwissenschaftliche Erklärungen für den menschengemachten Klimawandel. Der Treibhauseffekt entsteht dadurch, dass sich Spurengase in der Atmosphäre auf die elektromagnetische Strahlung auswirken und die Energiebilanz des Planeten verändern. Ohne diesen natürlichen Effekt wäre Leben auf der Erde nicht möglich, da die Durchschnittstemperatur an der Oberfläche der Erde nicht bei rund 14 Grad Celsius läge, sondern bei etwa Minus 18 Grad.

Wie kommt der Treibhauseffekt zustande?

Die auf die Erde einfallende kurzwellige Sonnenstrahlung wird zu einem großen Teil in Form langwelliger Infrarotstrahlen von der Erdoberfläche zurückgestrahlt. Der Wasserdampf der Wolken sowie die Treibhausgase Kohlendioxid und Methan absorbieren jedoch einen Teil der langwelligen Rückstrahlung und emittieren sie in beliebige Richtung. Auf diese Weise verhindern sie, dass die Wärmestrahlung ungehindert in den Weltraum entweicht.

Nimmt die Anzahl der Moleküle der Treibhausgase in der Atmosphäre zu, verschiebt sich die Rückstrahlung in größere Höhen der Atmosphäre. Aufgrund der dort kälteren Temperatur gelangt weniger Wärmestrahlung zurück in den Weltraum, was zu einem Überschuss an Energie in der unteren Atmosphäre führt. Die Folge sind höhere Temperaturen an der Erdoberfläche und in der unteren Atmosphäre.

Prof. Dr. Thomas F. Stocker über die Funktion des Treibhauseffekts

Klimaphysiker

„Treibhausgase ermöglichen die Bewohnbarkeit unseres Planeten. Aber wir stellen fest, dass sie in kleiner Konzentration existieren. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, wenn eine kleine Veränderung dieser Gase zu einer messbaren Erwärmung führt.“
Foto: Remo Eisner

Gase wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) sind nur im Promillebereich in der Atmosphäre vorhanden. Der Anteil von CO2 beträgt zum Beispiel 0,04 Prozent. Erhöht sich die Gaskonzentration im Bereich von wenigen Partikeln pro eine Million oder eine Milliarde Teilchen (parts per million/ppm bzw. parts per billion/ppb) kann dies beträchtliche Effekte haben. In vorindustrieller Zeit lag die Konzentration von CO2 bei rund 280 ppm, im Jahr 2021 erreichte sie nach Angaben der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA einen neuen Jahreshöchstwert von knapp 415 ppm. Durch die Treibhauswirkung der Gase hat die auf den ersten Blick geringfügig erscheinende Erhöhung einen messbaren Effekt: Sie hat die global gemittelte Temperatur um 1,2 Grad Celsius ansteigen lassen.
 

Nachgefragt: Spielt der Anteil Deutschlands an den CO₂-Emissionen überhaupt eine Rolle?

Deutschlands Anteil an den CO₂-Emissionen beträgt fast zwei Prozent. Das mag wenig erscheinen. Im Ranking der weltweit größten CO₂-Verursacher steht Deutschland damit aber an siebter Stelle. Und pro Kopf gerechnet ist der CO₂-Ausstoß hierzulande mit 9,7 Tonnen jährlich fast doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt mit rund fünf Tonnen. Letztlich muss es gelingen, weltweit koordiniert die Emissionen zu senken, sodass die Bemühungen aller Volkswirtschaften in ihrer Gesamtheit den benötigten großen Effekt erzielen können. Darauf zielt beispielsweise im europäischen Zusammenhang der European Green Deal der 27 EU-Staaten ab. Ähnliche Bemühungen um ein verbindliches koordiniertes Handeln sind auch auf der globalen Ebene unverzichtbar. Ein erster Schritt dahin ist das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, in dem sich die Vertragspartner dazu völkerrechtlich verbindlich verpflichtet haben, Maßnahmen gegen den Klimawandel einzuleiten. Zur globalen Umsetzung dieses Vorhabens ist es allerdings noch ein weiter Weg.

 

Welche Rolle spielen Aerosole?

Aerosole sind winzige Ruß- oder Staubteilchen in der Atmosphäre im Mikro- bis Nanometerbereich (Millionstel bis Milliardstel Meter). Sie stammen aus natürlichen Quellen wie Vulkanen oder Sandstürmen, werden aber zu einem großen Teil auch durch Zutun des Menschen bei der Verbrennung von Erdöl und Kohle freigesetzt.

Aerosole verändern die Energiebilanz, weil sie kurzwellige Sonnenstrahlung reflektieren. Je höher die Aerosol-Konzentration in der Atmosphäre ist, desto weniger Sonnenstrahlung erreicht die Oberfläche der Erde. Aerosole haben demnach einen abkühlenden Effekt. Betrachtet man den Effekt der Treibhausgase unabhängig von anderen Einflussquellen, müsste seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine Erwärmung von etwa 1,5 Grad Celsius stattgefunden haben. Durch den Effekt der Aerosole ist aber lediglich ein Anstieg von etwas mehr als einem Grad Celsius zu beobachten.

Prof. Dr. Thomas F. Stocker über den Einfluss von Aerosolen auf die Energiebilanz

Klimaphysiker

„Je größer die Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre ist, desto weniger erreicht die kurzwellige Sonnenstrahlung die Oberfläche der Erde. Das führt zu einer geringen Abkühlung von etwa 0,4 Grad Celsius.“ Foto: Remo Eisner

Insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine rückstandsintensive Verbrennung von Erdöl und Kohle praktiziert, die viele Schwefel-Aerosole in die Atmosphäre verfrachtet hat. Bis in die 1970er-Jahre stagnierte der bis dahin leichte Anstieg der Temperatur vor allem durch den kühlenden Effekt der Luftverschmutzung. Als in modernen Kohlekraftwerken Rauchgas-Waschanlagen installiert wurden, hat sich der Schwefelanteil in diesen Aerosolen massiv reduziert, was zu einem beschleunigten Anstieg der Temperatur führte.

Zu den größten natürlichen Quellen für Aerosole gehören Vulkane. Sie stoßen vor allem Sulfat-Aerosole aus, die in der Atmosphäre für eine begrenzte Zeit – wenige Monate bis ein Jahr – aktiv sind und dann wieder ausgewaschen werden. Viele dieser Stoffe gelangen bis in die untere Stratosphäre, wo der Austausch mit der darunterliegenden wetteraktiven Troposphäre eine gewisse Zeit braucht. Die Stratosphäre stellt nach der Troposphäre gewissermaßen das zweite Stockwerk der Erdatmosphäre dar und erstreckt sich von etwa zwölf Kilometern über der Erdoberfläche bis in eine Höhe von 50 Kilometern. 

Wie präzise sind Klimamodelle?

Computermodelle helfen, das Klima der Zukunft innerhalb gewisser Grenzen zu projizieren. Mit diesen Klimamodellen versuchen Forscherinnen und Forscher unter bestimmten Annahmen für unterschiedliche Faktoren Szenarien der Klimaentwicklung zu berechnen. Es geht also nicht um die eine konkrete Vorhersage, sondern um verschiedene Entwicklungspfade unter bestimmten Annahmen.

Prof. Dr. Thomas F. Stocker über die Aussagekraft von Klimamodellen

Klimaphysiker

„Je besser die Modelle werden, je höher die Auflösung wird, desto detaillierter kann die Klimaforschung Auskunft geben, wie sich der Klimawandel manifestiert.“ Foto: Remo Eisner

Die Modelle basieren auf Grundgleichungen der Physik und Gesetzmäßigkeiten der Chemie (zum Beispiel die Erhaltung der Energie, der Masse und des Impulses), die auf die Gegebenheiten der Atmosphäre, der Ozeane und die Landoberfläche angewendet werden. Sie können mit Eismodellen der Kryosphäre sowie Vegetationsmodellen der Biosphäre gekoppelt werden. So wird es möglich, die Wechselwirkungsprozesse zwischen den Erdsystemkomponenten zu beschreiben und Modelle für vergangene und zukünftige Klimasituationen zu verwenden.

Über die Jahrzehnte haben sich die Modelle durch den Zuwachs an Wissen und leistungsfähigere Computer weiterentwickelt. Doch auch schon die ersten, vergleichsweise einfachen globalen Klimamodelle vor rund dreißig Jahren waren so gut, dass sich mit ihnen der Anstieg der global gemittelten Temperatur unter gewissen Szenarien der Emissionen von Treibhausgasen vorhersagen ließ.

Bei der Entwicklung der Modelle beschränkt man sich zunächst auf Teilbereiche wie den Ozean, die Landmasse oder die Atmosphäre, da gerade die Interaktionen zwischen diesen Sphären besonders komplex sind. Dann werden die Teilmodelle zu einem gekoppelten Klimamodell zusammengeführt. Eine solche Entwicklung erstreckt sich über mehrere Jahre. Forscherinnen und Forscher sprechen daher von Generationen von Klimamodellen. Aktuell arbeitet die Forschung mit Klimamodellen der Generation 6 oder CMIP6, was für Coupled Model Intercomparison Project Phase 6 steht.

Durch die stetige Weiterentwicklung ist es inzwischen nicht nur möglich, die Temperatur zu projizieren, sondern auch zuverlässigere Vorausberechnungen zu anderen Parametern wie Veränderungen des Niederschlags und des Wasserkreislaufs zu machen. Waren anfangs nur Projektionen auf globaler Ebene möglich, lässt sich dies inzwischen auch bis auf einzelne Länder und Regionen auflösen.

Zur Weiterentwicklung der Klimamodelle gehört das stetige Überprüfen aller Faktoren und Annahmen. Dabei müssen sich die theoretischen Modelle an der Realität messen lassen. Manchmal sind auch zufällige Ereignisse hilfreich, die wie ein Experiment der Natur behandelt werden können. Die Klimamodellierung hat gezeigt, dass die steigenden Temperaturen in der Atmosphäre auf die CO2-Emissionen der Menschen zurückzuführen sind.
 

Nachgefragt: Wie lassen sich Klimamodelle überprüfen?

Beim Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 wurden gewaltige Mengen an Aerosolen in die Atmosphäre katapultiert, die wie ein Filter das Sonnenlicht reflektierten und einige Monate für eine Abkühlung von etwa 0,3 Grad Celsius sorgten. Das Ereignis war hilfreich, um eine der Unsicherheiten der Klimamodellierungen aufzuklären – und zwar die Frage, ob und wenn ja wie stark sich der positive Rückkopplungseffekt des Wasserdampfs in der Atmosphäre auswirkt. Dieser tritt auf, weil Wasserdampf selbst als Treibhausgas zur Erwärmung beiträgt, wärmere Luft noch mehr Wasserdampf aufnehmen kann und die Wirkung anderer Treibhausgase verstärkt. Mit Klimamodellen wurde das Abkühlungssignal durch den Pinatubo-Ausbruch simuliert und mit dem realen Ereignis verglichen. Dabei zeigte sich, dass Modelle, die den Wasserdampf-Rückkopplungseffekt gar nicht oder nicht im richtigen Maße berücksichtigten, das Ereignis nicht korrekt simulierten. Das offenbarte zugleich, wie wichtig dieser Effekt für das Klima ist.

 

Paläoklimatologie: Was bringt der Blick zurück?

Sinnvolle Aussagen über Veränderungen sind nur möglich, wenn man das Klima über lange Zeiträume betrachten kann. Regelmäßige und umfassende Wetteraufzeichnungen gibt es jedoch erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts, die Konzentration des CO2 in der Atmosphäre wird sogar erst seit den 1950er-Jahren fortlaufend registriert. Um rückblickend Daten über diesen vergleichsweise kurzen Zeithorizont hinaus zu ermitteln, braucht es die Werkzeuge der Paläoklimatologie. Sie versucht, die Veränderungen des Klimas im Verlauf der Erdgeschichte zu ermitteln, um die gegenwärtigen Entwicklungen mit denen der Vergangenheit vergleichen zu können. Nur durch die Ergebnisse der Paläoklimatologie und den Vergleich mit der Vergangenheit ist es möglich, den aktuellen Klimawandel als ein durch den Menschen verursachtes, außergewöhnliches Phänomen einzuordnen und nicht als natürliche Schwankung, die sich auch von selbst wieder einpendeln könnte.

Prof. Dr. Antje Boetius über den Nutzen der Paläoklimatologie

Meeresforscherin und Mikrobiologin

„Zusammengeschaltet kann der Mensch mittlerweile auf eine recht nahtlose Klimageschichte von praktisch 100 Millionen Jahren zurückgreifen.“ Foto: Esther Horvath

Für ihre Analysen greifen Forscherinnen und Forscher auf sogenannte Klimaarchive zurück. Das sind natürliche Zeitzeugen wie Baumringe, mit denen es möglich ist, das Klima der Vergangenheit zu rekonstruieren. Zu den wichtigsten Archiven zählen Eisbohrkerne aus den Tiefen der Eisschilde der Arktis und Antarktis. Mit jedem zusätzlichen Meter aus der Tiefe können Forscherinnen und Forscher in dem zu Eis komprimierten Schnee Parameter analysieren, die immer weiter in die Vergangenheit reichen. Anhand der im Eis eingeschlossenen Luftbläschen lässt sich im bisher ältesten Eis der Antarktis beispielsweise der Gehalt der Treibhausgase für die vergangenen 800.000 Jahre bestimmen. Aktuelle Bohrungen in der Antarktis sollen nun Eis zutage fördern, das bis zu 1,5 Millionen Jahre alt ist.

Um noch weiter in die Vergangenheit zu blicken, werden zum Teil Landablagerungen und vor allem Meeressedimente untersucht. Für jüngere Zeiträume betrachten Forscherinnen und Forscher Wachstumsschichten von Korallenriffen oder auch Jahresringe von Bäumen. Auch die Bestimmung von Pflanzengesellschaften und Tierarten zu bestimmten geologischen Zeitabschnitten helfen bei der Bestimmung der klimatischen Bedingungen. Durch die Kombination unterschiedlicher Quellen reicht die bekannte Klimageschichte mittlerweile recht lückenlos zirka 100 Millionen Jahre zurück.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können anhand dieser Daten Hypothesen über das Klima früherer Zeiten überprüfen sowie die heute im Klimasystem beobachteten Veränderungen besser verstehen. Was dabei deutlich wird: Die gegenwärtige Situation ist beispiellos in der Menschheitsgeschichte. Seitdem es Menschen auf der Erde gibt, ist die Temperatur noch nie so schnell angestiegen wie jetzt.

Welche Bedeutung haben Kippelemente?

Die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen können sowohl stetig als auch schleichend vor sich gehen und wären zumindest grundsätzlich rückgängig zu machen. Erreichen sie jedoch kritische Schwellenwerte, kann es zu plötzlichen und sehr raschen Veränderungen kommen, die nicht mehr aufzuhalten sind und die Erderwärmung sogar beschleunigen können. Sogenannte Kippelemente sind kritische Teile des Erdsystems, die sich unumkehrbar verändern können, wenn sie durch die globale Erwärmung zu stark unter Druck geraten. Sie verhalten sich wie eine Tasse, die vom Tisch fällt und zerspringt oder ein Boot, das sich auf dem Wasser aufschaukelt und kentert.

Zu den Kippelementen im Klimasystem zählen die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis, aber auch wichtige Ökosysteme wie der Amazonasregenwald oder Meeresströmungssysteme wie die Atlantische Ozeanzirkulation mit dem Golfstromsystem sowie der indische Sommermonsun. Erreichen diese Systeme Kipppunkte, können selbstverstärkende und beschleunigende Effekte auftreten. So können gigantische Eisgebiete wie das westantarktische Eisschild unwiederbringlich verloren gehen und den Meeresspiegel stark ansteigen lassen. Oder das Klima in Europa kann massiv abkühlen und andere Regionen aufheizen, weil sich der Golfstrom verlangsamt.

Ein weiteres Beispiel sind die Permafrostgebiete Sibiriens, die zunehmend Hitzewellen ausgesetzt sind. Die obere Bodenschicht taut in der Sommersaison immer länger und tiefer auf und setzt mehr und mehr Methan und CO2 frei. Die Klimagase wiederum treiben den Treibhauseffekt und die globale Erwärmung zusätzlich an. Das Tauen des Permafrostbodens gefährdet zudem die Stabilität von Städten, Verkehrswegen, Pipelines und Industrieanlagen.

Droht der Golfstrom zusammenzubrechen?

Zu den besonders bedeutenden Kippelementen des Klimasystems zählen auch die globalen Meeresströmungen. Da die Sonne den Planeten unterschiedlich stark aufheizt, kommt es zu stetigen Ausgleichsströmungen in der Atmosphäre und den Ozeanen. Eine dieser großen marinen Bewegungen ist die Atlantische Ozeanzirkulation, zu der auch der Golfstrom und der darauf folgende Nordatlantikstrom gehören. Diese Strömungen transportieren Wärme an die Westseite Europas und sorgen dafür, dass es in Europa ein insgesamt milderes Klima gibt als etwa auf vergleichbaren Breitengraden in Kanada. Sowohl Temperatur als auch Unterschiede im Salzgehalt der Meeresregionen halten den Strom in Gang. Nachdem sich das Wasser in den nördlichen Breiten abgekühlt hat, sinkt es in größere Tiefen, nimmt dabei große Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf – und wird so zu einer der wichtigen CO2-Senken der Erde.

Der Klimawandel könnte die Atlantische Ozeanzirkulation abschwächen, etwa durch den verstärkten Zufluss von Süßwasser infolge schmelzenden Grönlandeises oder durch vermehrte Niederschläge. Beobachtungen und Modellierungen zeigen, dass die Zirkulation und vor allem der Golfstrom in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich schwächer geworden sind. Das Ausmaß ist jedoch noch Gegenstand aktueller Forschung. Gab es vor einigen Jahren Berechnungen, denen zufolge es bereits etwa dreißig Prozent beträgt, wurde es später auf rund zehn Prozent korrigiert. Noch ist nicht entschieden, ob die Abschwächung auch auf die Folgen der Klimaerwärmung zurückzuführen ist. Dass der Golfstrom abrupt zum Erliegen kommt, ist zumindest bis 2050 kein wahrscheinliches Szenario.

Prof. Dr. Ricarda Winkelmann über die Schwächung des Golfstroms

Physikerin und Glaziologin

„Das Golfstromsystem ist eine unserer wichtigsten Wärmepumpen im Erdsystem überhaupt. Wenn die atlantische Ozeanzirkulation schwächer wird, dann hat das Konsequenzen für das Klima weltweit.“ Foto: PIK / Karkow

Wie viel CO2 darf noch emittiert werden?

Die Beziehung zwischen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre und der globalen Temperatur ist so robust, dass sich gut abschätzen lässt, wie viel Treibhausgas die Menschheit noch maximal ausstoßen darf, um eine bestimmte globale Temperaturerhöhung nicht zu überschreiten. In der Wissenschaft spricht man an dieser Stelle von einem CO2-Budget. Allerdings ist es nicht möglich, den exakten Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu berechnen, bevor eine bestimmte Grenze wie das Zwei-Grad-Ziel erreicht wird. Daher wird bei den Angaben zum CO2-Budget immer auch eine Wahrscheinlichkeit kommuniziert.

Dem sechsten IPCC-Bericht zufolge besteht eine Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent, dass die Menschheit die Zwei-Grad-Grenze nicht überschreitet, wenn sie maximal noch 1.150 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 ausstößt. Gemäß der CO2-Uhr des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change bleiben der Menschheit nur knapp 25 Jahre (Stand: August 2022) bei einem konstanten jährlichen Ausstoß von 42,2 Gigatonnen. Für das 1,5-Grad-Ziel bleiben sogar nur noch etwa sieben Jahre. Werden hingegen insgesamt 1.350 Gigatonnen ausgestoßen, steigt die Wahrscheinlichkeit, das Ziel von maximal zwei Grad Celsius Erwärmung zu verpassen auf 50 Prozent.

Wie belastbar ist die Erde?

Der Klimawandel ist nur einer von mehreren globalen Problembereichen, die die Menschheit herausfordern. Im Jahr 2009 führte die Arbeitsgruppe des schwedischen Resilienzforschers Johan Rockström das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen ein, auf Englisch Planetary Boundaries. Dabei handelt es sich um Grenzen, die eingehalten werden müssen, um die Stabilität globaler Ökosysteme und die Lebensgrundlage der Menschheit nicht zu gefährden.

In der Regel werden neun planetare Grenzen betrachtet, die einen sicheren Handlungsspielraum bieten, innerhalb dessen die Erde intakt bleibt und ihre Bewohner sicher und nachhaltig leben können:

  • Klimawandel
  • Zustand der Biosphäre
  • Süßwasser
  • Ozeanversauerung
  • Ozonschicht
  • Luftverschmutzung
  • Landnutzung
  • Stoffkreisläufe (Stickstoff und Phosphor)
  • Neue Substanzen (Chemikalien und Plastik)

Bereits 2009 galten drei der neun Grenzen beziehungsweise Teilbereiche davon als überschritten – und zwar der Klimawandel, der Verlust der Biodiversität und der Stickstoffkreislauf. Inzwischen sind auch die Grenzen des Phosphorkreislaufs, die für die Landnutzung sowie die für Chemikalien und Plastik überschritten. Bei Süßwasser zeichnet sich ab, dass das sogenannte grüne, für Pflanzen verfügbare Wasser, den riskanten Bereich erreicht hat. Das Konzept der planetaren Grenzen verdeutlich, dass der Klimawandel nicht für sich allein zu betrachten ist, sondern sich in eine Reihe verbundener und wechselwirkender Veränderungen im Erdsystem einfügt.

Prof. Dr. Ricarda Winkelmann über planetare Belastungsgrenzen

Physikerin und Glaziologin

Das Konzept der planetaren Grenzen macht deutlich, dass der Klimawandel nicht für sich alleine steht, sondern sich in eine ganze Reihe verbundener und in Wechselwirkung miteinander stehenden Veränderungen ins Erdsystem einfügt.“ Foto: PIK Karkow

Droht eine Heißzeit?

Seit dem Pariser Abkommen hat die Weltgemeinschaft eine maximale Temperaturerhöhung zwischen 1,5 und zwei Grad im Blick, um die Schäden und Risiken noch in einem überschaubaren Rahmen zu halten. Damit dieses Ziel erreicht wird, muss es weltweit gelingen bis 2050 CO2-neutral zu leben. Ob das zu schaffen ist, erscheint zunehmend unsicher. Daher berechnen Klimaforscherinnen und -forscher weitere Szenarien für den Fall, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen nicht ausreichen. In diesen Projektionen steigen die Temperaturen weit über das Minimalziel von zwei Grad Celsius hinaus, in den Bereich einer Erwärmung um vier bis fünf Grad Celsius, der auch als Hothouse Earth bezeichnet wird. Ohne eine Verstärkung der politischen Maßnahmen, die über die bis Ende 2020 eingeführten hinausgehen, könnte es zu einer globalen mittleren Erwärmung von durchschnittlich 3,2 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 kommen.
 

Nachgefragt: Ist es für Klimaschutz längst zu spät?

Die Erwärmung lässt sich noch deutlich begrenzen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss aber sofort und in großem Umfang gehandelt werden. Das CO₂-Budget für das 1,5-Grad-Ziel könnte bereits in sieben Jahren aufgebraucht sein, das für das Zwei-Grad-Ziel in knapp 25 Jahren (Stand: August 2022). Wenn die Menschheit nicht handelt, drohen künftigen Generationen Temperaturanstiege von vier bis sechs Grad Celsius im globalen Mittel. Damit würde das Leben in vielen Regionen über Jahrhunderte unmöglich. Doch auch wenn die Pariser Klimaziele nicht vollständig erreicht werden, ist es wichtig, den Anstieg der globalen Temperaturen für kommende Generationen zu begrenzen. Insbesondere senkt durch den klaren Zusammenhang von steigenden Temperaturen und Extremwetterereignissen jedes Grad weniger Erwärmung das Risiko von Wetterextremen. Bei vier Grad Temperaturanstieg kämen extreme Hitzeperioden, die vor der Industrialisierung in 50 Jahren nur einmal auftraten, rund 40-mal vor, bei zwei Grad etwa 14-mal.

 

Dem sechsten IPCC-Bericht zufolge wird die globale Oberflächentemperatur bei allen betrachteten Emissionsszenarien bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius beziehungsweise zwei Grad könnte im Laufe des 21. Jahrhunderts überschritten werden – es sei denn, es erfolgen in den kommenden Jahrzehnten drastische Reduktionen der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen.

Prof. Dr. Antje Boetius über eine zwei Grad wärmere Erde

Meeresforscherin und Mikrobiologin

„Für das Zwei-Grad-Ziel hätten wir noch 23 Jahre Zeit. Aber das bedeutet auch, dass Millionen von Menschen ihre Heimat verlieren, die polynesischen Inseln und unsere friesischen Halligen untergehen, Korallenriffe zu 99 Prozent abgestorben sind und vieles mehr.“ Foto: Esther Horvath

Doch selbst wenn es gelingt, die Temperaturerhöhung bei etwa zwei Grad zu halten, ist derzeit nicht auszuschließen, dass bei einigen Kippelementen wie den Korallenriffen, den Permafrostböden, dem Grönland- und dem Meereis oder den Gletschern womöglich Rückkopplungsreaktionen auftreten, die wiederum Kaskaden auslösen und unaufhaltsame Prozesse nach sich ziehen, durch die die Treibhausgasemissionen trotz Maßnahmen und ohne menschliches Zutun steigen.

Veröffentlicht: August 2022