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Wege zur Klimaneutralität

Wege zur Klimaneutralität

Bild: Adobe Stock | Malp

Die politisch vorgegebenen Ziele sind klar: Bis 2030 sollen in der Europäischen Union (EU) die Emissionen von Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent sinken, in Deutschland sogar um 65 Prozent. Bis 2050 muss die EU Netto-Null bei den Emissionen erreichen, Deutschland will das bis 2045 schaffen. Doch es reicht nicht, in einzelnen Bereichen oder Regionen Veränderungen bei der Nutzung von Energie und dem Verbrauch von kohlenstoffbasierten Energieträgern zu erzielen. Die Lösungen müssen systemisch und global sein – und sie greifen in alle Lebensbereiche hinein.

Klimaneutralität kann nur mit einem grundlegend umstrukturierten Energiesystem gelingen, dessen Gestaltung sich an der für den Energiebereich verbleibenden Restmenge an zulässigen Treibhausgasemissionen ausrichtet, heißt es in der gemeinsamen Ad-hoc-Stellungnahme „Energiewende 2030: Wege zur Klimaneutralität“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften in. Die im Jahr 2020 veröffentlichte Publikation betont zugleich, dass die grundlegende Transformation des Energiesystems technisch möglich ist – und die zentrale Herausforderung des Klimaschutzes darstellt.

Erforderlich ist ein grundlegender Umbau der Energieumwandlung weltweit, sodass Wirtschaft und Gesellschaft vollständig auf die Verbrennung von fossilen Energieträgern verzichten. Als Maßnahmen, um diesen Wandel zu bewerkstelligen, stehen ordnungsrechtliche Eingriffe (Gebote und Verbote) und das Setzen wirksamer Anreize zur Verfügung.

Sektorübergreifende Energiewende

Der Energiesektor verursacht etwa drei Viertel der globalen Treibhausgasemissionen. Zur Eindämmung der Erderhitzung ist es erforderlich, viele Sektoren möglichst rasch zu elektrifizieren. Deshalb wird in Zukunft mehr Strom benötigt – und zwar aus erneuerbaren Energiequellen. Wichtige Säule dabei ist der Ausbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Doch es geht nicht nur um die Stromerzeugung. Der Verzicht auf kohlenstoffbasierte Energienutzung muss alle Sektoren umfassen, auch den Wärmesektor, den Verkehrsbereich und Industrieprozesse.

Um wie angestrebt bis 2050 möglichst weltweit Netto-Null Treibhausgasemissionen zu erreichen, bedarf es einer umfassenden Transformation. Der 2021 veröffentlichten Roadmap „Net Zero by 2050“ der Internationalen Energieagentur zufolge ist ein umfangreicher Ausbau von Solar- und Windenergie erforderlich. Bei Photovoltaik muss der jährliche Zubau bis zum Jahr 2030 etwa 630 Gigawatt (Milliarden Watt) betragen, bei Windkraft 390 Gigawatt. Zum Vergleich: Die derzeit weltweit größten Solarparks in Indien und China erzielen auf einer Fläche von jeweils etwa 55 Quadratkilometern etwa 2.200 Megawatt (Millionen Watt).    

In Deutschland hat die Bundesregierung Anfang 2022 das Ziel benannt, im Jahr 2030 einen Anteil von 80 Prozent des Bruttostrombedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Dazu muss der jährliche Zubau von Solar- und Windenergieanlagen vervielfacht werden. Bei Photovoltaikanlagen von etwa fünf auf 20 Gigawatt, bei Windanlagen an Land von etwa zwei auf zehn Gigawatt und bei Windanlagen auf See von weniger als einem Gigawatt auf sieben Gigawatt. Das geht aus der im Juni 2022 veröffentlichten Stellungnahme „Wie kann der Ausbau von Photovoltaik und Windenergie beschleunigt werden?“ des Akademienprojekts ESYS („Energiesysteme der Zukunft“) hervor – einer gemeinsamen Initiative der Wissenschaftsakademien acatech, Leopoldina und Akademienunion.  

Da Solar- und Windenergie unbeständig zur Verfügung stehen, sind für den Ausgleich Kurz- und Langzeitspeicher sowie flexible Stromnutzungsmodelle erforderlich. Neben Pumpspeichern und Batterien werden flexible Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff und Methan immer wichtiger.

Prof. Dr. Robert Schlögl über die Notwendigkeit einer Energiewende

Chemiker und Katalyseforscher

„In der Energiewende müssen wir fossile Energieträger durch nachhaltige Energieträger zu ersetzen. Die richtige Definition der Energiewende müsste deshalb nicht Dekarbonisierung, sondern Defossilisierung lauten.“

Das bereits bestehende Erdgasnetz mit den dazugehörigen Kavernen- und Porenspeichern könnte als Langzeitspeicher genutzt werden. Um die Versorgung bei allen Wetterlagen und zu allen Jahreszeiten zu sichern, werden Reservekapazitäten benötigt. Als Reserveanlagen eignen sich emissionsarme Gaskraftwerke, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die mit Wasserstoff, Erdgas oder synthetischem Methan betrieben werden, sowie Brennstoffzellen.

Nachgefragt: Ist Klimaschutz viel zu teuer?

Klimaschutz kostet, aber die Wirtschaft wird er nicht ruinieren. Der Weltklimarat kam in seinem fünften Sachstandsbericht zu dem Schluss, dass selbst erhebliche Emissionsminderungen das Wirtschaftswachstum nur geringfügig beeinträchtigen würden. Bis 2050 könnten sich die jährlichen Wachstumsraten demnach im Mittel um 0,09 Prozent reduzieren. Bei Betrachtung einzelner Maßnahmen zeigt sich zudem, dass einige kostengünstig oder gewinnbringend sind. So führt der Ersatz von Glühlampen durch LED für die Beleuchtung pro Tonne vermiedenen Kohlendioxids zu Gewinnen. Generell gehören Windenergie und Photovoltaik inzwischen zu den kostengünstigsten Stromerzeugungstechnologien. Allerdings löst sich das Problem dadurch nicht von selbst. Denn diejenigen, die zum Beispiel in klimaneutrale Technologien investieren, sind nicht diejenigen, die die hohen Kosten eines ungebremsten Klimawandels zu tragen hätten. Daher ist die Politik gefragt, den Weg in die Klimaneutralität mit Umsicht und sozial ausgewogen zu gestalten.

 

CO2-Bepreisung

Als wirksames Instrument, um die Entscheidungen der Akteure in allen Sektoren des Energiesystems weg von fossilen Energieträgern und hin zu regenerativen Energiequellen zu lenken, erachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die CO2-Bepreisung. Das betont auch die Leopoldina in ihren Stellungnahmen zum Klimaschutz sowie gemeinsam mit den Wissenschaftsakademien der G7-Länder in dem im Mai 2022 veröffentlichten Statement „Decarbonisation: The Case for Urgent International Action“.  

Wenngleich es mehrere Ansätze gibt, um dieses ökonomische Werkzeug in der Praxis einzusetzen, ist die Grundidee einfach: Der Einsatz fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Erdgas wird verteuert, indem die Emissionen der Treibhausgase mit Kosten verbunden werden. Das erhöht die Attraktivität alternativer Energiequellen und macht die Nutzung fossiler Brennstoffe weniger interessant.

Wird diese CO2-Bepreisung durch weitere Maßnahmen ergänzt, insbesondere durch Investitionen in Infrastrukturen, die der Gesellschaft neue Handlungsspielräume eröffnen, kann sie ihre Anreizwirkung besser entfalten. Zum Beispiel wird eine Bepreisung der Emissionen im Verkehrsbereich viele Menschen erst dann zu einer Umstellung auf Elektromobilität lenken können, wenn sie eine hinreichend ausgebaute Ladeinfrastruktur vorfinden. Die Stärke der CO2-Bepreisung ist, dass sie Anreize für individuelles Handeln schafft, das auch dann in die richtige Richtung führt, wenn Akteurinnen und Akteure sich nur wenig Gedanken darüber machen, ob ihr jeweiliges Handeln hohen moralischen Ansprüchen genügt. 

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt über die Stärke der CO₂-Bepreisung

Ökonom

„Die Stärke der CO₂-Bepreisung ist, dass sie Anreize setzt, individuelle Handlungen ohne moralischen Überbau, ohne ständige Überlegungen, in die richtige Richtung zu drängen.“ Foto: RWI / Sven Lorenz

Mit Blick auf die praktische Umsetzung dieser Idee gibt es zwei grundsätzliche Wege, um Treibhausgasemissionen mit Kosten zu versehen. Zum einen lässt sich das Emittieren von CO2 durch einen festgesetzten Preis als Steuer oder Abgabe einschränken. Der andere Weg ist die Festlegung von Emissionshöchstmengen, die über Zertifikate in einem Emissionshandelssystem erworben und veräußert werden, und über die das Recht eingeräumt wird, eine begrenzte Menge CO2 in die Atmosphäre abzugeben. Die zulässige Gesamtmenge an CO2 ergibt sich durch das in diesem System vorgegebene CO2-Budget. In einem globalen Emissionshandelssystem würde es sich um das CO2-Budget handeln, das zu einem bestimmten Zeitpunkt noch vorhanden ist, um die Ziele des Pariser Abkommens einer maximalen Erwärmung von weniger als 1,5 Grad Celsius beziehungsweise zwei Grad Celsius zu erreichen. Je kleiner diese Menge wird, desto mehr verteuern sich tendenziell die Zertifikate im Emissionshandel.

Der CO2-Preis als einzelnes Instrument wird indes aller Voraussicht nach nicht dazu führen, die für das Jahr 2030 und danach gesetzten Klimaziele zu erreichen, zumindest dann nicht, wenn er nicht in unrealistische Höhen steigen soll. Daher sind komplementäre Maßnahmen notwendig, insbesondere Investitionen in eine die Transformation des Energiesystems unterstützende Infrastruktur. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung können dabei helfen, diese Investitionen zu finanzieren. Sie werden aber auch für den sozialen Ausgleich derjenigen Härten benötigt, die für niedrigere Einkommensgruppen durch die Transformation entlang des Weges entstehen: Dies könnte insbesondere durch die Absenkung des Strompreises und in Form einer sogenannten Klimadividende verwirklicht werden.

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt über die Möglichkeiten eines CO₂-Preises

Ökonom

„Ich kann am einen oder am anderen Ende vom Markt ansetzen. Entweder den Preis halten und die Menge ergibt sich als Ergebnis oder die Menge festhalten und der Preis ergibt sich als Ergebnis. Auf beiden Wegen kann ich zum gewünschten Ziel kommen.“ Foto: RWI / Sven Lorenz

Das Konzept der Kreislaufwirtschaft

Die Bepreisung von CO2-Emissionen funktioniert zwar auch dann, wenn Menschen ihre grundsätzliche Haltung zum Umgang mit Ressourcen nicht ändern. Allerdings kann ein generelles Umdenken in der Verwendung von Ressourcen ebenfalls große Veränderungen herbeiführen. In der Kombination von stringenter Bepreisung und veränderten Einstellungen liegen daher große Potenziale. Das vorherrschende Modell einer linearen Wirtschaft, bei der Produkte entworfen, produziert, einmalig oder kurz genutzt und schließlich entsorgt werden, sollte zunehmend durch eine Kreislaufwirtschaft (auf Englisch: Circular Economy) ersetzt werden.

Das, was viele Menschen bereits vom Abfallrecycling kennen, wird auf weitere Bereiche ausgedehnt. Notwendig ist dabei, dass Produkte jeglicher Art aus leicht trennbaren und wiederverwertbaren Materialien entworfen werden und zugleich langlebig, leicht zu reparieren sowie intensiv zu nutzen sind. Darüber hinaus können Prozesse zur Wiederverwendung, Umgestaltung und zum weitgehenden Recycling helfen, Energie- und Ressourcenverbrauch zu senken und so zum Klima- und Artenschutz beitragen. Dabei ist es entscheidend, dass es sich um einen systemischen Wandel zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft handelt, der über den bisherigen Bereich der Abfallwirtschaft hinausgeht. Er umfasst auch Steuer-, Finanz- und Handelspolitik und muss auf technischer, ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene integriert werden.

Prof. Dr. Christoph M. Schmidt über alternative Wirtschaftsmodelle

Ökonom

„Alternative Wirtschaftsmodelle können für Einzellebensentwürfe spannend sein, aber die grundlegende Frage bleibt: Wie schaffen wir es, der Menschheit aus ihrer materiellen Deprivation herauszuhelfen und das mit dem Schutz unseres Planeten zu verbinden.“ Foto: RWI / Sven Lorenz

Klimaneutral Energie gewinnen

Das große Ziel der Klimaneutralität kann nur gelingen, wenn das Energiesystem grundlegend umstrukturiert und konsequent dekarbonisiert wird, also vollständig auf fossile Brennstoffe verzichtet wird. Nach Daten des Umweltbundesamtes waren in Deutschland im Jahr 2020 etwa 83 Prozent der Treibhausgas- und Luftschadstoffemissionen energiebedingt – sie entstanden also bei der Umwandlung von Energieträgern wie Kohle, Erdgas oder Mineralöl in Strom und Wärme.

Strukturen und Anlagen in der Energiewirtschaft sind langlebig und komplex, sodass Anlagen, die jetzt aufgebaut werden, auch noch in zwanzig, dreißig Jahren genutzt werden. Somit ist es essenziell, frühzeitig die richtigen Entscheidungen zu treffen, da einmal betretene Pfade nur schwer verlassen werden können. Zugleich gibt es nur wenige Alternativen, mit denen es gelingen kann, einen systemischen Wechsel der Energiegewinnung zu erreichen.

Technologisch hinreichend gereift und skalierbar sind bisher nur Photovoltaik und Windenergie. Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft sind in Deutschland in ihren Potenzialen aus unterschiedlichen Gründen eng begrenzt. Hoffnung setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem auch in sogenannten grünen Wasserstoff, bei dem der für die Elektrolyse von Wasser erforderliche Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Grüner Wasserstoff wird als Energieträger entscheidend sein, um auch in Bereichen klimaneutral zu werden, in denen fossile Energie nicht durch Strom ersetzt werden kann. Dies betrifft zum Beispiel die Stahlproduktion oder die chemische Industrie.

Kohlenstoffsenken sichern

Den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen ist der Königsweg, um den Klimawandel zu bremsen. Doch es ist keineswegs sicher, dass dies weltweit in ausreichendem Maße gelingt. Vielmehr sind aller Voraussicht nach zusätzliche Maßnahmen erforderlich, mit denen sich Treibhausgase, insbesondere das Kohlendioxid, wieder aus der Atmosphäre entfernen lassen. Es gibt bereits technische Verfahren, wenngleich noch unausgereift, die bereits emittiertes CO2 wieder einfangen. Als sogenannte negative Emissionen entziehen sie der Atmosphäre das Treibhausgas und machen es klimaunschädlich. Insbesondere mit Blick auf Szenarien, in denen die Menschheit das 1,5-Grad-Ziel verpasst und sogar das Zwei-Grad-Ziel fraglich ist, werden diese Optionen an Relevanz gewinnen.

Zu den wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zählt zudem das Bemühen, vorhandene natürliche Kohlenstoffsenken zu erhalten. Böden, Wälder und der Ozean nehmen bisher etwa die Hälfte der von Menschen verursachten CO2-Emissionen auf. Indes ist unsicher, wie lange das für Böden und Wälder noch möglich sein wird, da sie zunehmend zerstört und übernutzt werden. Es kann sein, dass sich ab etwa 2050 der Effekt umkehrt und sie dann CO2 abgeben anstatt aufnehmen, sodass sich die Erderwärmung weiter verstärken wird.

Aufforstungen könnten dagegen ansteuern. Berechnungen zeigen, dass neu gepflanzte Bäume bis zum Jahr 2100 etwa ein Viertel des in der Atmosphäre enthaltenen CO2 aufnehmen könnten. Dafür bräuchte es etwa acht Millionen Hektar Land, was der Größe von Brasilien entspricht.

Prof. Dr. Robert Schlögl über negative Emissionen

Chemiker und Katalyseforscher

„Ein komplexer Begriff für eine einfache Idee: Man nimmt das CO₂ aus der Atmosphäre wieder raus. Und das ist natürlich deswegen etwas problematisch, weil die Menge von CO₂ in der Atmosphäre sehr klein bzw. die Atmosphäre sehr groß ist.“

Großflächiges Aufforsten stünde jedoch in Konflikt mit anderen Nutzungsmöglichkeiten, etwa durch die Landwirtschaft, die die menschliche Ernährung sichert. Diesem Konflikt könnte zumindest teilweise durch agroforstwirtschaftliche Maßnahmen begegnet werden, bei denen auf derselben Fläche landwirtschaftliche Nutzpflanzen und (Obst)-Bäume und Weiden angebaut werden.

Auch sonst spricht vieles für ein Umsteuern im Agrarbereich: Landwirtschaftlich intensiv genutzte Böden verlieren ihre CO2-Speicherfunktion, da ihr Humus mehr und mehr abgebaut wird. Sinkt der Vorrat des enthaltenen organischen Kohlenstoffs im Humus, wird CO2 freigesetzt. Gelingt es hingegen den Humusvorrat zu erhöhen, wird langfristig mehr Kohlenstoff gebunden. Humus aufzubauen ist zwar zeitaufwändig, hilft aber auch den Einsatz von synthetischem Dünger zu senken, dessen Herstellung mit hohen Treibhausgasemissionen verbunden ist.

In Deutschland spielen zudem Moorböden beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Moore und moorähnliche Böden machen zwar nur ungefähr sieben Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland aus. Die CO2-Emissionen aus diesen extrem kohlenstoffreichen Böden mit landwirtschaftlicher Nutzung verursachen hierzulande indes rund 35 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft. Trockengelegte, landwirtschaftlich genutzte Moorböden verlieren über den Abbau der organischen Masse im Torf durch Mikroorganismen in 20 Jahren im Durchschnitt mehr Kohlenstoff, als an einem Grünlandstandort durchschnittlich gespeichert ist.

Um diese „Ausgasungen“ zu verhindern und die Senkenfunktion der Moore wiederherzustellen, ist es nötig, die Flächen wieder zu vernässen, indem der Grundwasserspiegel auf Geländeniveau angehoben wird. Dies erhöht zwar auch die Emission von Methan, das weitaus klimaschädlicher ist als CO2, allerdings sind die Mengen vergleichsweise gering, sodass der Effekt der eingesparten CO2-Emissionen überwiegt.

Climate Engineering: Mit Technologie gegen den Klimawandel

Neben der Reduktion der Emissionen und dem Umbau der Energiesysteme gibt es Methoden und Technologien, der Erderhitzung zu begegnen, die unter den Begriffen Geoengineering oder Climate Engineering zusammengefasst werden. Sie zielen darauf ab, das Klimasystem bewusst zu verändern, um Folgen des Klimawandels abzumildern.

Zu unterscheiden sind dabei zwei Ansätze: Beim Carbon Dioxide Removal (CDR) geht es darum, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen beziehungsweise gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen zu lassen. Beim zweiten Ansatz, Solar Radiation Modification (SRM) genannt, soll die Sonnenstrahlung beeinflusst und die Erde reflektierender gemacht werden, um die Effekte der Treibhausgase zu kompensieren. Anders als CDR knüpft SRM also nicht an der Ursache der Klimaerwärmung an.

Grundsätzlich stehen technologische Ansätze zur Eindämmung des Klimawandels unter dem Vorbehalt des Artikels 2 der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC, United Nations Framework Convention on Climate Change), die 1994 in Kraft getreten ist. Demnach darf eine vorgeschlagene technologische Lösung nicht selbst eine gefährliche Einwirkung des Menschen auf das Klimasystem darstellen. Kann dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen werden, wäre Artikel 2 verletzt, der ein zentraler Bestandteil der Rahmenkonvention ist.

Verfahren zur Entfernung von CO2

Für das Carbon Dioxide Removal gibt es zahlreiche Methoden. So kann etwa großflächig CO2-bindende Biomasse wie Holz oder Raps angebaut, in einem Kraftwerk verbrannt und mit dieser Wärme Strom erzeugt werden. Das freiwerdende CO2 wird aufgefangen und über lange Zeiträume unterirdisch deponiert. Auf Englisch wird dieser Ansatz Carbon Capture and Storage (CCS) genannt. Die Nachteile: Wie bei der Aufforstung konkurriert die Nutzung großräumiger Flächen für den Biomasse-Anbau jedoch mit der Nutzung für die Nahrungsversorgung. Und selbst bei Nutzung aller vorhandenen Landflächen, ergäbe sich global noch kein wesentlicher Effekt. Zudem verbrauchen CCS-Verfahren selbst viel Energie, was den Wirkungsgrad der Kraftwerke erheblich senkt.

Prof. Dr. Robert Schlögl über Climate Engineering

Chemiker und Katalyseforscher

„Climate Engineering ist aus meiner Sicht die vollkommen überzogene Vorstellung, dass wir Menschen einen aktiven Einfluss auf das Klima nehmen können, um es in unsere gewünschte Richtung zu steuern.“

Andere Möglichkeiten Kohlendioxid aus der Atmosphäre einzufangen, sind die künstliche Gesteinsverwitterung, bei der CO2 aus der Luft benötigt wird, oder das maschinelle Einfangen des CO2 aus der Luft, das ebenfalls unterirdisch deponiert werden könnte. Da der CO2-Anteil in der Luft gering ist, müssen diese Anlagen sehr große Mengen Luft filtern, was viel Energie verbraucht und teuer ist. Überdies gibt es Konzepte, den Ozean mit Nährstoffen wie Eisen, Phosphor oder Stickstoff zu düngen. Das dadurch verstärkte Algenwachstum könnte zusätzliches CO2 binden – falls die zusätzliche Biomasse im Meeressediment eingelagert wird.

Die Sonneneinstrahlung begrenzen

Um die Sonneneinstrahlung auf der Erde zu begrenzen, gibt es unter den SRM-Methoden beispielsweise die Idee, im erdnahen Weltraum Spiegel zu installieren, um Sonnenlicht von der Erde wegzulenken. Dazu wären jedoch extrem große Spiegelflächen erforderlich. Darüber hinaus würde sich die Änderung der solaren Einstrahlung ungleichmäßig verteilen, was die atmosphärische und ozeanische Zirkulation beeinflussen könnte und damit zum Beispiel auch regionale Temperaturen und Niederschläge.

Eine weitere Idee ist, die Effekte von Vulkanausbrüchen nachzuahmen, indem man in die hohen Schichten der Atmosphäre Aerosole einbringt, die das Sonnenlicht reflektieren. Dies könnte jedoch unerwünschte Nebenwirkungen auf das Klima haben und zum Beispiel dazu führen, dass sich Regengebiete verlagern, was den Wasserkreislauf regional verändern würde. Darüber hinaus müsste eine solche Maßnahme über viele Jahrzehnte erfolgen. Emissionseinsparungen wären in dieser Zeit trotzdem erforderlich, da zwischen Treibhausgaskonzentrationen und globaler Temperatur sonst zunehmend ein Ungleichgewicht entstünde. Eine Beendigung der Aerosoleinleitung, zum Beispiel aus Kostengründen, hätte dann eine extrem schnelle globale Erwärmung zur Folge, an die sich Ökosysteme kaum anpassen können.

Die meisten Climate-Engineering-Verfahren sind bisher lediglich mehr oder weniger realisierbare Ideen. Bei all diesen Verfahren ist zudem unklar, ob sie sich auf die globale Ebene skalieren lassen. In einem Sonderbericht kam der Weltklimarat IPCC 2018 zu dem Schluss, dass SRM für die nahe Zukunft gar keine Option ist. CDR-Methoden könnten allenfalls einen sehr geringen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung leisten.

Zugleich zeigen die meisten Szenarien zur Einhaltung des 1,5- oder Zwei-Grad-Ziels, dass ein Teil des ausgestoßenen CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt werden muss, etwa um schwer vermeidbare Restemissionen aus Landwirtschaft und Industrie einzufangen. Es ist also zu klären, welche Rolle die verschiedenen CO2-Entnahmeverfahren künftig spielen sollen. Jedoch können sie allenfalls ein Teilaspekt einer umfassenden Strategie sein, die primär auf die Reduktion und Elimination der fossilen Emissionen und den Umbau der Energiesysteme setzt – und somit die Ursache des Klimawandels angeht.

Veröffentlicht: August 2022